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Anubis 02 - Horus

Anubis 02 - Horus

Titel: Anubis 02 - Horus
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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entsprechende Frage überhaupt stellen konnte.
    »Wir sind gleich da, Miss«, sagte er, ohne sich zu ihr herumzudrehen. »Noch ein paar Minuten Geduld, bitte.«
    Da? , dachte Bast. Wo, da? Sie sparte es sich, die Frage laut auszusprechen, sah aber nun sehr viel aufmerksamer aus dem Fenster und korrigierte ihre Einschätzung dieser Gegend ein wenig nach unten. Eine halbwegs saubere, noch nicht ganz gutbürgerliche Straße, nicht mehr ausschließlich ein Arbeiterviertel, aber auch ganz gewiss keine bessere Gegend. Wo, zum Teufel, fuhr der Kerl hin?
    Sie bekam die Antwort auf ihre Frage nach kaum mehr als einer weiteren Minute. Sie bogen noch einmal ab, und die Hufe der beiden Pferde klapperten plötzlich auf gröberem und weniger sorgsam verlegtem Pflaster, bevor der Wagen endgültig zum Stehen kam und der Fahrer mit unerwarteter Behändigkeit vom Bock kletterte, um den Gentleman zu spielen und ihr den Wagenschlag aufzureißen.
    Bast tat ihm den Gefallen, sich zu gedulden und erst auszusteigen, nachdem er es getan hatte, und sie griff sogar nach seinem galant ausgestreckten Arm. Sie berührten sich für kaum einen Atemzug, aber lange genug, um Basts ohnehin nur schwaches Misstrauen endgültig zu zerstreuen. Der Mann musste an die sechzig sein, hatte ein gutmütiges Gesicht, das allenfalls vom lebenslangen Genuss von zu viel Branntwein gezeichnet war, und kaum noch Haare, dafür aber umso gewaltigere Koteletten, und sie las nicht die geringste Spur von Falschheit oder Heimtücke in ihm. Er hatte nur getan, was man ihm aufgetragen hatte, und seine an Panik grenzende Hast, das Hafenviertel zu verlassen, resultierte aus der simplen Tatsache, dass er dort schon einmal überfallen worden war und sich demzufolge nicht besonders wohl in dieser Umgebung fühlte.
    »Vielen Dank, Arthur«, sagte Bast und weidete sich einen halben Atemzug lang an seiner Verblüffung, sie seinen Namen aussprechen zu hören, den er weder ihr noch irgendeinem der Matrosen genannt hatte. »Und wo sind wir hier?«
    »Ähm … nun ja … hier«, antwortete er verdattert und machte zugleich eine Handbewegung auf das Gebäude, vor dem sie angehalten hatten: ein hübsches, einigermaßen gepflegtes zweieinhalbgeschossiges Haus hinter einem geschmiedeten Zaun mit goldbronzierten Spitzen. Neben der Tür hing ein kleines, sorgsam poliertes Messingschildchen.
    » Pension Westminster? « , las sie stirnrunzelnd vor. Der bedauernswerte Arthur riss die Augen noch weiter auf. Das Schild war kaum so groß wie zwei nebeneinandergelegte Hände und die Schrift entsprechend winzig. Selbst als er noch jung und seine Augen schärfer gewesen waren, hätte er vermutlich Mühe gehabt, zu erkennen, dass dort überhaupt etwas stand, geschweige denn es lesen können.
    »Äh … ja, Miss«, murmelte er verwirrt. »Stimmt was nicht? Ich meine, das ist die Adresse, die mir die Männer genannt haben.«
    »Die Matrosen?«, vergewisserte sich Bast.
    »Ja. Es ist auch schon alles bezahlt. Soll ich … ich meine: Ich bringe Ihr Gepäck hinein, wenn das in Ordnung ist.«
    Bast ließ ihren Blick ein zweites Mal und aufmerksamer über die Fassade des georgianischen Gebäudes streifen. Einen Moment lang war sie unschlüssig. Sie hatte nicht vorgehabt, im Regency oder Palace Hotel abzusteigen, aber ganz gewiss auch nicht in einem Etablissement, das sich Pension Westminster nannte … aber auf der anderen Seite machte das Haus einen zwar einfachen, aber gepflegten und sauberen Eindruck, und sie war mit einem Male nahezu sicher, dass ein gewisser Kapitän in nicht allzu ferner Zukunft hier auftauchen und sehr überrascht sein würde, sie ganz zufällig hier anzutreffen. Vielleicht war es an der Zeit, ein klärendes Gespräch mit Kapitän Maistowe zu führen …
    »Das wäre sehr freundlich«, sagte sie. »Ich gehe schon einmal hinein und sehe, ob es jemanden gibt, der Ihnen hilft. Sie sollten mit ihrem Rücken nicht so schwer tragen.«
    Arthurs Unterkiefer klappte herunter, während er sie nunmehr vollkommen fassungslos anstarrte, und Bast ging weiter, ignorierte die Türglocke und trat ein, ohne ihr Kommen in irgendeiner Form angekündigt zu haben.
    Der Raum, den sie betrat, war unerwartet groß und mit einer Anzahl kleiner runder Tische und dazu passender Stühle eingerichtet. Außerdem gab es einen kleinen Kamin mit einer Couch und zwei wuchtige Ohrensessel vor einem leer geräumten Schachtisch und eine mannshohe Standuhr, aber keine Rezeption; nicht einmal so etwas wie einen Schreibtisch.
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