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Anubis 02 - Horus

Anubis 02 - Horus

Titel: Anubis 02 - Horus
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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blinzelte sie erneut. »Bitte verzeihen Sie, Miss Bast«, sagte sie dann. »Hätte ich gleich gewusst, dass Kapitän Maistowe Sie schickt, dann wäre ich vielleicht nicht ganz so abweisend gewesen. Aber man muss vorsichtig sein, vor allem, wenn man als Frau ganz allein eine Pension leitet.«
    »Das verstehe ich«, antwortete Bast. »Da, wo ich herkomme, ist es nicht anders.«
    Mrs Walsh warf einen weiteren und noch viel unverhohlen neugierigeren Blick in Basts Gesicht hinauf, aber sie fragte nicht, wo dieses »wo ich herkomme« sein mochte. »Ja, das ist wahrscheinlich auf der ganzen Welt so«, seufzte sie. »Wissen Sie schon, wie lange Sie bleiben werden, meine Liebe?«
    »Nur ein paar Tage, fürchte ich«, antwortete Bast. »Vielleicht eine Woche … auf keinen Fall mehr als zwei.« Sie hatte nicht vor, so lange in diesem Land zu bleiben, aber die Dinge entwickelten sich oft anders, als man es erwartete. Bisher wusste sie nicht einmal, wo Isis wirklich war. Zwar standen ihr gewisse Möglichkeiten zur Verfügung, aber London war eine große Stadt.
    »Nun, wie auch immer«, fuhr Mrs Walsh fort. »Bleiben Sie ruhig so lange, wie es Ihnen genehm ist. Sagen Sie nur einen Tag zuvor Bescheid, wenn Sie ausziehen wollen. Sie sind eine Freundin von Kapitän Maistowe?«
    »Nicht … direkt«, antwortete Bast zögernd. »Ich bin als Passagier auf seinem Schiff hierhergekommen. Als ich an Land gegangen bin, hat er mir Ihre Adresse gegeben.«
    »Und während der gesamten Überfahrt hat er so gut wie kein Wort mit Ihnen gesprochen und Sie behandelt, als wären Sie Luft«, vermutete Mrs Walsh.
    »Woher wissen Sie das?«
    »Weil Jacob Maistowe ein Mann von Ehre ist«, antwortete Mrs Walsh in einem Tonfall, als rede sie über ein schrulliges Kind mit einigen noch schrulligeren Angewohnheiten. »Seiner Meinung nach sind Passagiere an Bord tabu, für seine Mannschaft, und für ihn erst recht.« Sie blinzelte ihr zu. »Und daher behandelt er sie umso schlechter, je sympathischer sie ihm eigentlich sind. Aus Angst, seinen Männern ein schlechtes Beispiel zu bieten oder vielleicht etwas zu sagen, was ihm hinterher peinlich sein könnte.«
    »Das … klingt ein bisschen sonderbar«, sagte Bast zögernd. Aber es passte zu dem, was sie erlebt hatte. So hatte sie die Sache noch gar nicht gesehen.
    »Es klingt ein bisschen verrückt«, verbesserte Mrs Walsh sie. »Aber so ist er nun mal.« Sie blinzelte Bast noch einmal und nun geradezu verschwörerisch zu. »Wenn er Sie wirklich so schlecht behandelt hat, dann können Sie sich etwas darauf einbilden.«
    Bast war nicht sicher, dass sie das wollte, doch in diesem Moment tauchte der Kutscher wieder auf und polterte so lautstark durch das Zimmer, als wäre er noch immer genauso schwer beladen wie auf dem Hinweg und ersparte ihr die Peinlichkeit, antworten zu müssen.
    »Sobald Ihr Gepäck im Zimmer ist, richte ich alles her«, sagte Mrs Walsh. »Möchten Sie in der Zwischenzeit hier Platz nehmen? Ich kann Ihnen einen heißen Tee anbieten, wenn Sie es wünschen. Nach der anstrengenden Reise können Sie ihn sicher gebrauchen.«
    Tatsächlich war die Aussicht auf einen heißen Tee überaus verlockend für Bast, aber sie schüttelte trotzdem den Kopf. »Machen Sie sich keine Mühe«, sagte sie. »Und das Zimmer können Sie auch später in aller Ruhe herrichten. Ich fürchte, mir bleibt im Moment gerade nur die Zeit, mich umzuziehen und ein wenig frisch zu machen, bevor ich weitermuss.«
    »Sie sind in Eile?«, erkundigte sich Mrs Walsh.
    »Nicht direkt in Eile«, antwortete Bast. »Ich bin gekommen, um eine Freundin zu besuchen, müssen Sie wissen. Wir haben uns schon seit vielen Jahren nicht mehr gesehen.«
    »Eine Freundin«, sagte Mrs Walsh. »So, so. Haben Sie die Adresse ihrer Bekannten?«
    »Nur eine Straße«, antwortete Bast. »Sie arbeitet dort … wie man mir gesagt hat.« Sie zog den reich bestickten Lederbeutel auf, den sie anstelle einer Tasche bei sich trug, kramte eine Weile darin herum und gab ihr schließlich den Zettel, auf dem sie den Namen der Straße notiert hatte. Mrs Walsh nahm ihn entgegen und sah darauf. Sehr lange.
    »Stimmt irgendetwas nicht?«, fragte Bast.
    Mrs Walshs Blick … veränderte sich. »Nein«, sagte sie hastig. »Und das ist wirklich die richtige Straße?«
    »So hat man es mir gesagt«, antworte Bast. »Warum? Was ist damit?«
    »Nichts«, sagte Mrs Walsh noch einmal, und nicht minder hastig. Sie lächelte noch immer, aber nun wirkte es nervös und irgendwie
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