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Anubis 02 - Horus

Anubis 02 - Horus

Titel: Anubis 02 - Horus
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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gibt es hier nur eine Sprache«, antwortete Bast, »nicht gleich ein ganzes Dutzend, wie in manchen Regionen meiner Heimat.«
    Diesmal klang Mrs Walshs Lachen noch amüsierter. »Oh, was das angeht, befinden Sie sich im Irrtum, meine Liebe«, behauptete sie. »Gehen Sie nur ein paar Straßen weiter, und Sie können durchaus das Gefühl haben, auf einem anderen Kontinent zu sein. Das reinste babylonische Sprachgewirr.« Sie nahm einen weiteren winzigen Schluck aus ihrer Tasse, stellte sie behutsam auf den Tisch zurück und fragte dann, immer noch lächelnd, zugleich aber auch in beinahe besorgtem Ton: »Ich hoffe doch, Sie hatten keinen Ärger mit diesen ›Mitgliedern des britischen Empire‹, von denen Sie gerade gesprochen haben.«
    »Nicht im Geringsten«, versicherte Bast. »Im Gegenteil. Wir sind Kaufleute. Schon in der …«, sie tat so, als müsse sie einen Moment angestrengt überlegen und lachte dann leise, »… ich glaube, hundertsten Generation oder so. Meine Familie lebt vom Handel mit Gewürzen und anderen Dingen, so lange unsere Fami liengeschichte zurückreicht. Ein gutes Verhältnis zu Fremden ist sozusagen unser Betriebskapital. Deshalb bin ich auch hier.«
    »Ich dachte, um Ihre Freundin zu suchen?«, erkundigte sich Mrs Walsh in harmlos klingendem Ton, der alles war, nur nicht das. Ihr Blick tastete aufmerksam über Basts Gesicht, und für die Dauer eines Herzschlages erschien ein Ausdruck von Irritationen in ihren Augen, während er an dem kunstvoll gewickelten Turban hängen blieb. Vorhin, überlegte Bast, als sie hereingekommen war, hatte sie die Kapuze ihres Mantels so weit nach vorne getragen, dass von ihrem Gesicht darunter nicht allzu viel zu erkennen gewesen sein konnte. Aber vermutlich hatte sie dennoch einen Schimmer ihres auffälligen Haares gesehen und fragte sich nun, ob sie sich getäuscht und in Wahrheit vielleicht das rote Tuch wahrgenommen hatte – dessen Farbe Bast im Übrigen aus keinem anderen Grund gewählt hatte.
    »Nun, das eine schließt das andere nicht aus, nicht wahr?«, gab sie zurück, schüttelte aber zugleich auch den Kopf und nippte wieder an ihrem Tee, um Zeit zu gewinnen. »Meine Schwester Isis – ich nenne sie so, obwohl sie nicht wirklich meine Schwester ist; unsere Verwandtschaftsverhältnisse sind ziemlich kompliziert – ist nicht nur eine gute Freundin, sondern arbeitet auch in unserem Geschäft. Meine Familie hat sie hierher geschickt, um sich um unsere Angelegenheiten in England zu kümmern.«
    »Und seither haben Sie nichts mehr von ihr gehört«, vermutete Mrs Walsh.
    »Wie kommen Sie darauf?«, erwiderte Bast, leicht überrascht. Das kam der Wahrheit ziemlich nahe.
    »Ich schließe es aus der Tatsache, dass Sie hier sind, meine Liebe«, antwortete Mrs Walsh. »Es ist nicht gerade ein Sonntagsausflug von Afrika nach London, nicht wahr? Außerdem – wenn Sie mir meine Offenheit verzeihen – schwingt ein gewisser Unterton von Besorgnis in Ihrer Stimme mit, immer, wenn Sie über Ihre … Schwester reden.«
    Bast sagte nicht gleich etwas dazu, sondern sah Mrs Walsh etliche Sekunden lang abschätzend an. Für jeden anderen an ihrer Stelle wäre diese Antwort vielleicht genug gewesen, aber Bast hatte schon vor sehr langer Zeit lernen müssen, sich selbst und ihre Gefühle gut genug in der Gewalt zu haben, um niemandem einen Blick hinter die Maske zu gestatten.
    Gleich darauf bewies Mrs Walsh jedoch, was für eine hervorragende Beobachterin sie war, denn sie lächelte ein kurzes, ein wenig verlegenes Lächeln, wie ein Kind, das man bei einer kleinen Verfehlung ertappt hat, das aber auch weiß, dass es nicht mit einer harten Bestrafung rechnen muss, und fuhr fort: »Nun ja, und die Adresse, die Sie mir gezeigt haben …«
    »Was ist damit?«, fragte Bast.
    Mrs Walsh druckste einen Moment herum. »Sagen wir es so: Es ist vielleicht nicht die vornehmste Gegend. Zumindest keine, in der ich die Räumlichkeiten eines Gewürzhändlers erwarten würde.«
    »Wir handeln nicht nur mit Gewürzen«, gab Bast zurück, vielleicht eine Winzigkeit schärfer, als sie es eigentlich gewollt hatte.
    Mrs Walsh lächelte weiter, aber Bast spürte trotzdem, dass sie bereits bedauerte, sich überhaupt so weit vorgewagt zu haben. »Schließlich geht es mich auch nichts an«, sagte sie. Bast sah, wie sie innerlich mit sich kämpfte, zu einem Entschluss kam und ihr dann so fest es in die Augen blickte, wie sie es nur konnte. »Darf ich Ihnen trotzdem einen Rat geben, mein
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