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Die Rueckkehr des Henry Smart

Die Rueckkehr des Henry Smart

Titel: Die Rueckkehr des Henry Smart
Autoren: Roddy Doyle
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1 | Es sah aus wie damals. Die Wolken rissen auf, das Meer war weg, unten war grünes Land. Eine dicke Wolke schob sich dazwischen – die Maschine flog direkt hinein. Es war plötzlich kälter. Als ich das nächste Mal hinsah, war das Grün unten wieder da. Irland.
    1922 war ich weggegangen. 1951 kam ich zurück. Mit dem Flugzeug. Vor neunundzwanzig Jahren der Aufbruch, vor fünf Jahren der Entschluss zur Rückkehr.
    Die Maschine ging noch etwas tiefer. Sie rüttelte und schüttelte. Der Boden kam näher, die Wolken waren verschwunden. Ich sah auf mein Land herunter und empfand nichts.
    Das Flugzeug landete mit dem üblichen Hopser auf der Landebahn unter dem Beifall der Passagiere vor und hinter mir – vorn die Schauspieler, hinten die Crew. Ich in der Mitte. Ich klatschte nicht. Die Triebwerke kamen zum Stillstand. Allmählich konnte man die Propeller erkennen – dann hielten sie an. Zwei Wichtigtuer schoben die Gangway an die Maschine. Ich hörte, wie die Tür aufging und zischend frische Luft hereinschoss, hörte aufgeregtes Schnaufen. Es roch nach Meer.
    Der Wind blies mir ins Gesicht. Ich ging die Stufen runter. Ford war umringt von Filmleuten und Schleimern.
    – Willkommen daheim, Mister Ford.
    – Hunderttausend Mal willkommen.
    – Schönes Wetter haben Sie mitgebracht, Mister Ford.
    Rote Gesichter, feuchtes Grinsen für die Amis mit den schweren Taschen. Sie stellten ihn auf die Treppe der Pan American, ein paar Stufen unter ihm John Wayne, darüber Barry Fitzgerald, alle drei winkten und lächelten. Waynes Frau und die Kids standen frierend neben mir.
    Ich ging los.
    Ich hörte die Stimme.
    Ich ging weiter. Ohne auf meinen Koffer zu warten.
    Ich sollte mich neben ihn stellen, so dass er mir eine Hand auf die Schulter legen konnte, so hatte er sich das gedacht. Er war der Mann, der mich heimgebracht, der mich aus der Wüste gerettet hatte. Der letzte Rebell – mit dem Letzten der Rebellen.
    – Wo ist Henry?
    Er hatte meinen Anzug bezahlt und mein Holzbein. Ich war sein IRA-Berater, Republic Pictures zahlte mir das Honorar auf die Hand.
    Ich setzte mich in ein Taxi. Nach hinten.
    – Willkommen in Irland, Sir.
    – Quatsch nicht. Fahr los.
    Zu dem nächstbesten Bett, das in Limerick gegen Geld zu haben war. Ich ließ mich bäuchlings darauf fallen und spürte, wie das Land mir in die Lungen kroch, wie es kreiste und brodelte. Ich hatte zu lange in trockener Luft und in Wüsten gelebt. Ich hustete.
    – Scheiße.
    Es war ein irisches Husten, ich hatte es ganz vergessen, dieses hohle Bellen und Rasseln. Das Bettzeug, die Matratze, die Wand links von mir waren feucht von verbrauchtem Atem. Ich hustete wieder und hörte durch mehrere Wände eine Stimme:
    – Armes Schwein.
    Ich lag auf dem Bett. Ich spürte den Widerstand und ließ ihn zu, spürte, wie er an meiner Haut zog und zerrte.
    Ich schlief ein.
    Das Holzbein knarzte und flüsterte. Ich zog das Hosenbein hoch und guckte hin. Das Holzbein war dicker geworden, ich konnte förmlich zusehen, wie es aufquoll wegen der Luftfeuchtigkeit. Dem Lack war das schon zu viel geworden, er blätterte ab, und das Schienbein wurde blass und fleckig.
    Ich trat in den Regen hinaus, der mir schon den Anzug schwerer machte. Sofort war die Erinnerung wieder da: die schräg auftreffenden Fäden, das Gefühl der einzelnen Tropfen auf meiner Haut, ihr Tanz auf den schwarzen Steinen um meine Füße herum. Scheißregen.
    Unter dem Rand meines durchweichten Filzhuts sah ich den schwarzen Wagen aus dem dunklen Regen heranschleichen. Der Motor war nicht zu hören, aber der Wagen kam näher, brachte mit seinem leisen Zischen vor der Geräuschkulisse des Regens Bilder zurück, die nie fort gewesen waren. Model T-Automobile, die das Land unsicher machten, Trenchcoat-Träger, die angetreten waren, mich umzubringen. Aber der Bürgerkrieg war seit drei Jahrzehnten vorbei, und es war nur ein Taxi aus Limerick. Ich blieb stehen und wartete.
    – Guten Morgen, Sir.
    – Ich bin kein Amerikaner.
    – Wohin soll ich Sie bringen?
    – Roscommon, sagte ich.
    – Machen Sie Witze?
    – Nein.
    – Ist es Ihnen hier nicht nass genug?
    Ich sah ihn an.
    – Fahren Sie mich hin oder nicht?
    – Wir brauchen eine Karte.
    – Nein, ich kenne den Weg.
    Er hatte sich immer noch nicht gerührt.
    – Die alte Heimat, was?
    – Nicht meine. Also was ist, fahren Sie mich?
    – Na schön, sagte er. – Ich bin ein neugieriger Mensch.
    Er war jung, halb so alt wie ich. – Aber Sie müssen mir sagen, wo’s
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