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Anubis 02 - Horus

Anubis 02 - Horus

Titel: Anubis 02 - Horus
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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In einem Winkel welkte ein Blumenstrauß in einer kristallenen Vase unter einem hölzernen Kruzifix – ein Symbol, das Bast immer als etwas befremdlich für eine Religion empfunden hatte, welche die Liebe zum Nächsten predigte. Es war nicht sehr hell, obwohl draußen noch Tag herrschte, denn vor den Fenstern hingen schwere dunkelblaue Vorhänge aus falschem Samt, die bis auf einen schmalen Spalt zugezogen waren. Und es war sehr still. Wenn das hier wirklich eine Pension war, dann hatte sie im Augenblick anscheinend nicht sehr viele Gäste.
    »Ja, bitte?«
    Bast fuhr leicht erschrocken zusammen. Sie hatte weder gehört, dass sich hinter ihr eine schmale Tür geöffnet hatte, noch die Schritte der kleinwüchsigen, schwarz gekleideten älteren Frau, die nun darunter erschienen war. Natürlich ließ sie sich ihre Überraschung nicht anmerken, mahnte sich selbst aber in Gedanken zur Vorsicht. Anscheinend war sie in noch schlechterer Verfassung, als sie ohnehin angenommen hatte.
    »Guten Tag«, sagte sie lächelnd. »Ich hätte gerne ein Zimmer – falls Sie noch etwas frei haben.«
    »Ein Zimmer?« Die Frau schloss sorgfältig die Tür hinter sich, bevor sie mit gemessenen Schritten näher kam und Bast dabei ganz unverblümt musterte. Ebenso wenig Hehl machte sie aus ihrem Erstaunen, als ihr Blick in die Dunkelheit unter ihrer immer noch hochgeschlagenen Kapuze fiel, aber das überraschte Bast weder, noch nahm sie es ihrem Gegenüber irgendwie übel. Sie war solcherlei Reaktion gewöhnt und hatte sie erwartet, ganz besonders in diesem Teil der Welt.
    »Das kommt ganz darauf an«, fuhr die Zimmerwirtin fort. »Wie lange möchten Sie bleiben, und welche Art von Zimmer schwebt Ihnen vor? Einen großen Service kann ich Ihnen nicht bieten, falls Sie das erwarten.« Sie lächelte beinahe entschuldigend. »Das hier ist eine Frühstückspension. Es gibt Bed and Breakfast, und sonst allenfalls eine Tasse Tee am Abend.«
    »Das ist vollkommen in Ordnung«, antwortete Bast. »Ich bin nicht anspruchsvoll. Ein sauberes Zimmer und ein wenig Diskretion sind alles, was ich erwarte.«
    »Diskretion?« Auf dem Gesicht der Pensionswirtin erschien ein Ausdruck von unübersehbarem Misstrauen, als hätte sie etwas Ungehöriges gesagt. Ihre Augen blickten plötzlich härter, und rings um ihren Mund erschien ein Netz winziger verkniffener Fältchen, die zuvor noch nicht da gewesen waren. Wie es aussah, dachte Bast, hatte sie genau den falschen Ton gewählt. Aber das war ein Fehler, der sich leicht korrigieren ließ.
    Noch während sie in die Tasche griff, um den zusammengefalteten Zettel hervorzuziehen, den Maistowe ihr gegeben hatte, wurde die Tür aufgestoßen, und der Kutscher kam herein, unter der Last von gleich drei ihrer Koffer wankend. Die Zimmerwirtin runzelte die Stirn und setzte zu einer nun sichtlich verärgerten Bemerkung an, und Bast reichte ihr rasch den Zettel. »Ich bin auf Empfehlung hier«, sagte sie. »Kapitän Maistowe von der Lady of the Mist war der Meinung, dass ich hier eine angenehme Unterkunft finden würde.«
    Die Besitzerin des Westminster wirkte keineswegs beruhigt, aber immerhin nahm sie den Zettel entgegen, faltete ihn auseinander und knibbelte heftig mit den Augen, während sie die winzige Schrift in der schwachen Beleuchtung zu entziffern versuchte. Dann hellten sich ihre Züge auf. »Tatsächlich, das ist Jacobs Handschrift«, sagte sie. »Auch wenn ich sie nur entziffern kann, weil ich ohnehin weiß, was er geschrieben hat.«
    Sie gab ihr den Zettel zurück und wandte sich aus der gleichen Bewegung heraus an den Kutscher. »Bringen Sie das Gepäck der Lady auf Zimmer eins«, sagte sie. »Gleich oben das erste neben der Treppe.«
    Arthur setzte sich schnaubend und unter dem Gewicht seiner Last mit deutlicher Schlagseite in Bewegung, und sie wandte sich wieder an Bast und streckte ihr die Hand entgegen. »Bitte verzeihen Sie, meine Liebe«, sagte sie, mit einem Male lächelnd und herzlich; scheinbar eine ganz andere Person. »Ich bin Gloria Walsh, die Besitzerin der Pension Westminster. «
    »Bast«, sagte Bast, während sie Mrs Walshs Hand schüttelte.
    »Einfach nur Bast?«
    »Einfach nur Bast«, bestätigte Bast. »In meiner Heimat haben die meisten Menschen nur einen Namen – oder entsetzlich viele. Gottlob bin ich nicht so einmalig, dass man mir ein ganzes Dutzend Namen gegeben hat. Höchstens zwei, und der andere tut nichts zur Sache.«
    Gloria sah sie einen Moment einfach nur verwirrt an, dann
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