Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anubis 02 - Horus

Anubis 02 - Horus

Titel: Anubis 02 - Horus
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
nach Schmutz und Verfall riechende Gasse ein, in der sich selbst Bast unwohl gefühlt hätte, wäre sie allein gewesen. An ihrem Ende schimmerte ein schmaler Streifen aus goldfarbenem Licht, in dem der Staub des Nachmittages tanzte wie eine Vision aus einer fremden, unendlich fernen Welt, und vielleicht war es genau dieser sonderbare, friedfertige Anblick, der in ihr abermals dasselbe Gefühl wachrief, mit dem sie von der Planke heruntergetreten war: ein Gefühl der Endgültigkeit, das beinahe schon sichere Wissen, dass etwas geschehen würde, etwas Großes und Schreckliches, nach dem ihr Leben nicht mehr so sein würde wie zuvor.
    Vielleicht würde hinterher gar nichts mehr so sein, wie es einmal gewesen war.
    Bast schüttelte auch diesen Gedanken ab und rief sich selbst – nicht zum ersten Mal an diesem Tag – zur Ordnung. Sie war nervös, und das war verständlich, denn sie hatte Isis nun seit etlichen Jahren nicht mehr gesehen und keine Ahnung, wie diese auf ihr unerwartetes Auftauchen reagieren würde. Und vermutlich litt sie schlichtweg noch unter den Nachwirkungen der Seekrankheit. Es war nicht weiter erstaunlich, wenn sie sich selbst in eine Weltuntergangsstimmung hineinsteigerte.
    Aber gefährlich, wenn sie nicht achtgab.
    Eine zweispännige Droschke rollte auf knarrenden Rädern vor das Ende der Gasse, und Bast blieb stehen und wartete in einiger Entfernung, bis die Männer ihr Gepäck verladen hatten und sich schon fast überhastet zurückzogen. Keiner machte auch nur Anstalten, auf dem gleichen Weg zurückzugehen, auf dem sie gekommen waren, denn dazu hätten sie sich in der schmalen Gasse dicht genug an ihr vorbeiquetschen müssen, um sie nahezu zu berühren, und diesen Mut brachte sichtlich keiner von ihnen auf.
    Bast bedauerte es inzwischen bereits, nicht mit einer ihrer eigenen eisernen Regeln gebrochen und tiefer in Maistowe hineingesehen zu haben, denn sie fragte sich allmählich wirklich, was er seinen Männern über sie erzählt hatte. Was immer es auch gewesen sein mochte, es machte ihnen ganz offensichtlich genug Angst, sie nicht nur vor ihrer Nähe, sondern selbst vor dem bloßen Augenkontakt mit ihr zurückschrecken zu lassen; als hätten sie ernsthafte Angst, sie hätte den bösen Blick.
    Was tatsächlich der Fall war, aber das konnten sie schließlich nicht wissen.
    Der Gedanke ließ Bast abermals lächeln, aber nur für einen Moment, dann trat sie sogar wieder einen Schritt in den Halbschatten der Gasse zurück, während sie darauf wartete, dass die Männer mit dem Verladen ihrer Gepäckstücke fertig waren und sich trollten. Die leise mahnende Stimme in ihren Gedanken hatte recht: Seeleute waren ein abergläubisches Volk, und Geschichten wie diese neigten nur zu oft dazu, umso größer und dramatischer zu werden, je weiter sie die Runde machten. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie so etwas erlebte.
    Der letzte Mann verschwand, indem er den weiteren Weg außen um den ganzen Komplex aus Lagerhäusern, Schuppen und Kontoren einschlug, und Bast trat mit gesenktem Blick aus der Gasse heraus. Der Kutscher vorne auf seinem freien Bock verrenkte sich fast den Hals in dem vergeblichen Bemühen, einen Blick in die Schwärze unter ihrer Kapuze zu erhaschen, und Bast ging ein wenig schneller, schlüpfte in wenig damenhafter Hast in den Wagen und zog die Tür hinter sich zu. Erst dann fiel ihr ein, dass sie dem Fahrer gar kein Ziel genannt hatte, doch noch bevor sie diesen Fehler berichtigen konnte, drang das Knallen der Peitsche von draußen herein, und der Zweispänner setzte sich mit einem plötzlichen Ruck in Bewegung.

ERSTES Kapitel
    Wenn sie bedachte, wie schwerfällig und plump das zweispännige Gefährt ausgesehen hatte, dann legte es ein ganz erstaunliches Tempo vor. Die heruntergekommenen Fassaden der Häuser und die kaum weniger abgerissenen Passanten jagten nur so vorüber, und wenn sie um eine Ecke bogen oder die Straße abknickte, was nur zu oft und manchmal in jähem Winkel der Fall war, schaukelte die ganze Droschke so wild, dass sie nicht weiter erstaunt gewesen wäre, wäre sie einfach umgekippt. Der Fahrer musste es ziemlich eilig haben, sein Ziel zu erreichen. Oder von hier wegzukommen.
    Sie hätte eine Menge tun können, um diese sonderbare und auch ein bisschen beunruhigende Situation zu ändern, aber sie beließ es dabei, sich auf der harten Bank zurückzulehnen und abzuwarten. Es gab die eine oder andere wenig erfreuliche Erklärung für das seltsame Verhalten des
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher