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Anubis 02 - Horus

Anubis 02 - Horus

Titel: Anubis 02 - Horus
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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erstarrt dastand, um es aus der Reichweite der wild zuckenden Pferdehufe zu ziehen.
    Erst dann eß sie sich vor ihm in die Hocke sinken, legte ihm beruhigend die linke Hand auf die Schulter und zwang es mit der anderen, ihr ins Gesicht zu sehen.
    »Ist alles in Ordnung?«, fragte sie.
    Das Mädchen starrte sie einen weiteren, endlosen Atemzug lang aus weit aufgerissenen Augen an, in denen nichts als Angst geschrieben stand, aber dann nickte es. Erst jetzt ging Bast auf, dass sie in ihrer Erregung in ihrer Muttersprache geredet hatte, aber das Kind schien die Frage trotzdem verstanden zu haben.
    Behutsam griff sie nach den Gedanken des Mädchens, nahm ihr die schlimmste Furcht und richtete sich dann hastig wieder auf. Ihr erster Blick galt dem Falken, aber sie war nicht einmal wirklich überrascht, ihn genau in diesem Moment torkelnd wieder an Höhe gewinnen zu sehen. Sie machte sich nicht einmal die Mühe, ihn zu verfolgen. Sie hatte ihre Chance gehabt und vertan.
    Menschen rannten kopflos durcheinander, Schreie gellten, Schritte, Panik und reine chaotische Bewegung rasten wie eine Explosion über das Pier, und Leute rannten auf sie zu, allen voran eine schmuddelige dicke Frau mit totenbleichem Gesicht; wahrscheinlich die Mutter des Mädchens. Bast ignorierte sowohl sie als auch alle anderen, holte ihr Schwert und erlöste das sterbende Pferd von seinen Qualen.
    Als sie die blutige Klinge am Fell des Tieres abwischte, drang ein schriller Schrei an ihr Ohr. Sie sah auf und beschattete die Augen mit der Hand, um den Himmel abzusuchen. Der Falke verschwand so, wie er aufgetaucht war, unmittelbar in die Sonne hinein, die seine Silhouette in gleißendem Licht aufzulösen begann. Bast sah dem davonfliegenden Vogel nach, bis das Feuer des Sonnengottes ihn endgültig verzehrt hatte, dann schob sie mit einer müden Bewegung das Schwert wieder unter ihren Gürtel und schlug die Kapuze ihres schwarzen Mantels hoch, bevor sie sich wieder herumdrehte.
    Hinter ihr war endgültig Panik ausgebrochen. Mindestens ein Dutzend Menschen drängten sich um das gestürzte Pferd oder versuchten sich um das Mädchen zu kümmern, allen voran seine Mutter, die so hysterisch schrie und kreischte, als hätten die wirbelnden Pferdehufe tatsächlich sie getroffen, statt nur das Mädchen zu bedrohen. Bast spürte, wie sich die Aufmerksamkeit der Menge nun allmählich auf sie zu richten begann. Bisher war alles einfach viel zu schnell gegangen, und sie bezweifelte außerdem, dass die meisten hier überhaupt wirklich gesehen hatten, was geschehen war. Aber das spielte keine Rolle. Sie hatten etwas gesehen, und im Grunde war es vollkommen egal, was. Sie wusste nur zu gut, wie es weitergehen würde.
    Einen Moment erwog sie ernsthaft, die Erinnerung an ihre Person aus dem Gedächtnis aller zu löschen, aber sie wusste auch, dass ihre Kräfte dazu nicht einmal ansatzweise ausreichten; so wenig wie die Zeit, die wenigen Zeugen ausfindig zu machen, die wirklich etwas gesehen hatten, und sich ihrer Erinnerungen anzunehmen.
    Es gab nur noch eines, was sie vernünftigerweise tun konnte. Sie schloss ihren Mantel, wandte sich um und ging davon, so schnell sie es gerade noch wagte, um es nicht nach einer Flucht aussehen zu lassen.
    Die Matrosen, die ihr Gepäck trugen, waren inzwischen in einer Seitenstraße verschwunden, und Bast beeilte sich, zu ihnen aufzuschließen. Keiner der Männer drehte sich zu ihr um oder warf auch nur einen Blick in ihre Richtung. Ob sie etwas von dem Vorfall am Kai mitbekommen hatten, ließ sich nicht sagen, aber Bast spürte ihre Nervosität und konnte sie auch durchaus verstehen. Während der gesamten Überfahrt hatte sie ihre Kabine kaum ein halbes Dutzend Mal verlassen und war noch seltener an Deck gegangen. Kaum einer der Männer hatte sie wirklich zu Gesicht bekommen, und so war es kein Wunder, dass sie vermutlich inzwischen ein Nimbus des Geheimnisvollen und vielleicht auch ein wenig Unheimlichen umgab.
    Auch das war ihr gleich. Auf das Geschwätz einiger vermutlich betrunkener Matrosen und des üblichen Hafengesindels würde hier so wenig jemand etwas geben wie in Kairo oder irgendeiner anderen Hafenstadt der Welt. Sie hatte die Reise nach London unerkannt zurücklegen wollen, und wie es aussah, war ihr das auch mehr oder weniger gelungen … bis vor ein paar Augenblicken. Aber sie konnte schließlich keine Wunder erwarten.
    Erstaunlich schnell durchquerten ihre Führer das Hafengelände und bogen schließlich in eine schmale,
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