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Ansichten eines Hausschweins - Neue Geschichten ueber alte Probleme

Ansichten eines Hausschweins - Neue Geschichten ueber alte Probleme

Titel: Ansichten eines Hausschweins - Neue Geschichten ueber alte Probleme
Autoren: Harald Martenstein
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viel Geld in all den GenderHokuspokus, könnte man dies erforschen.
    Nach der Gendertheorie müsste natürlich vor allem die Erziehung ursächlich sein für die Dominanz des Altherrenwitzes und den Mangel an Jungdamenwitz in unserer Gesellschaft. Wenn ein kleiner Junge etwas Lustiges sagt, wird er offenbar von den Eltern gelobt. Erlaubt aber ein kleines Mädchen sich nur den geringsten Scherz, dann wenden die Eltern sich missbilligend ab. War das bei Ihnen so, Karina?
    Vermutlich sind Sie für staatliche Damenwitzförderungsprogramme, für die Schaffung von Stellen für Frauenhumorbeauftragte und für eine strenge Quotenregelung. So wird es kommen, ich weiß das. Bald wird jede zweite Komödie, jede zweite Kolumne und jeder zweite Witz von einer Frau verfasst werden müssen. Unsere Zeit geht zu Ende. Ich klage nicht, ich hatte es schön.
    Was mir lediglich auffällt, ist, dass wir älteren Herren inzwischen die einzige Gruppe sind, auf der jeder herumhacken darf, ohne dass ihm oder ihr Diskriminierung vorgeworfen wird. Altherrenliteratur, Altherrenhumor, Altherrensex, Altherrenmode. Wenn ich ein Buch mit dem Titel »Deutschland schafft sich ab« schriebe, mit der These, dass es zu viele alte Herren gibt, dass ein Altherren-Gen existiert und dass man deswegen den Zuzug von alten Herren nach Deutschland unterbinden muss, dann würde jeder zustimmen, auch Angela Merkel. Gibt es denn wirklich überhaupt nichts Liebenswertes an uns?.

Ampeln
    Kommt rein, Kinder. Setzt euch. Hört, was der alte Mann zu erzählen hat. Habt keine Angst.
    Na gut, ein bisschen Angst solltet ihr vielleicht doch haben.
    Ich wurde noch in einer Welt geboren, in der es fast keine Verkehrsampeln gab. Könnt ihr euch das vorstellen? Man schaute links, man schaute rechts – und dann, hoppeldipoppel, rüber über die Straße. Die erste Ampel wurde zwar schon 1868 in London errichtet, mit Gasbetrieb. Aber sie explodierte recht bald nach der Indienststellung. Piff, paff. Die erste richtige Ampel, elektrisch, drei Lichter, leuchtete in Detroit, 1920. Berlin zog 1924 nach.
    Aber die meisten deutschen Städte haben erst nach dem Krieg mit dem Ampelbau begonnen. Krefeld, erste Ampel 1951. Heilbronn, 1954. Bremerhaven 1957. In meiner Kindheit sind, von einem bestimmten Tag an, überall an den Kreuzungen Ampeln gewachsen. Für jeden alten Nazi, der starb, wurde zum Gedenken eine Ampel hingestellt – pardon, ein kleiner Scherz am Rande.
    Und es hat nie wieder aufgehört. Ich zähle regelmäßig, wie viele Ampeln zwischen meiner Kreuzberger Wohnung und der neun Kilometer entfernten Stadtautobahn stehen, inzwischen sind es neununddreißig. Das ist doch Wahnsinn. Niemand will das. Helmut Schmidt würde sagen: große Scheiße. Ach, wisst ihr, ich sage heute auch mal: große Scheiße.
    Zwei Dinge werden immer mehr, seit ich auf der Welt bin, Jahr für Jahr, obwohl ich dagegen bin, obwohl ich nichts damit zu tun habe, dies sind die Ampeln und die Staatsschulden. Sogar auf Lebensmittelpackungen sollen irgendwann Ampeln gedruckt werden, weil irgendwelche Schwachköpfe glauben, die Leute wüssten nicht von allein, dass Leberwurst mehr Fett enthält als Kopfsalat.
    Wisst ihr, was sie in Afghanistan tun sollten? Sie sollten die Taliban einfangen, mit Schlingen, wie in Daktari, und ihnen dann Ampeln auf ihre Turbane malen. Ampeln scheinen ja eine Art Allheilmittel zu sein.
    Ja, klar, ich bin sauer. Ich bin sehr böse. Ein Mann sieht rot. In meinem Fall sieht der Mann sogar neununddreißigmal hintereinander rot, auf neun Kilometern. Ihr könnt alle froh sein, wenn ich nicht zur Bazooka greife, so oft, wie ich rot sehe.
    Der Respekt der Bevölkerung vor der Ampel ist infolge der Ampelinflation natürlich stark gesunken. Die Leute gehen achtlos über die Straße, wo sie wollen, über eine Ampel lacht man bloß noch. Früher war jede Ampel eine stolze Rose. Sie fiel auf. Heute ist sie ein Löwenzahn. In Orten, in denen man versuchshalber alle Ampeln entfernt hat, ist die Zahl der Verkehrsunfälle gesunken, weil die Leute wieder gelernt haben aufzupassen. Aufpassen, wisst ihr, das geht nämlich auch.
    Nun habe ich gelesen, dass eine Art Wende im Gange ist. In Nürnberg (525 Ampeln) hat man aus Kostengründen, zum ersten Mal, seit es in diesem Nürnberg überhaupt Menschen gibt, sechs Ampeln wieder abgeschaltet, und man baut keine weiteren. Der städtische Etatposten »Pflege und Unterhalt von Ampeln« wurde von 1,4 auf 1,1 Millionen gesenkt. Ich habe begriffen, welch
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