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Die Zeitbestie

Titel: Die Zeitbestie
Autoren: Asher Neal
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Kapitel 1
    Techniker Goron:
    Nach dem, was mir die beiden Überlebenden berichteten, müssen wir einen anderen Weg finden, um Cowl anzugreifen. Die Ersten aus dieser Gruppe brachen mit einem Fusions- und Verschiebungsgenerator in den Interraum durch, um eine Energiezapfstelle einzurichten. Der Zweck bestand darin, die nachfolgenden Reisenden an exakt die gleiche Stelle zuführen – denn die Ungenauigkeit der Zeitreise steigt proportional zur temporalen Distanz von einer geeigneten Energiequelle. In diesem Punkt hatten sie Erfolg. Da jedoch nur wenig Personal und Ausrüstung auf jeder Fahrt mitgenommen werden konnten, dauerte es trotzdem zu lang, einen Stützpunkt einzurichten. Der Übermensch entdeckte die Zapfstelle und schickte sein Haustier – inzwischen zu riesenhafter Gestalt herangewachsen. Es tötete sie sowohl auf der Erde wie im Interraum, als sie flüchteten. Verschlang sie bei lebendigem Leib.
    Ein Sturm öffnete weiß glühende Risse im Basalthimmel, und bald würde der Regen seine ätzenden Spuren auf allem freiliegenden Metall hinterlassen. Polly wusste, dass sie am besten in Deckung ging, da solche sauren Güsse jede Kleidung, die nicht aus synthetischen Fasern bestand, auf die Haltbarkeit nassen Löschpapiers reduzierte. Außerdem fielen einem dabei die Haare aus und man bekam Ausschlag auf der Kopfhaut. Nachdem sie die Zigarette ausgedrückt hatte, zog sie den Regenschutzfilm aus der zigarrengroßen Patrone und empfand plötzlich eine Einsamkeit, die der Wodka nicht hatte vertreiben können. Zu solchen Gelegenheiten vermisste sie Marjae am meisten: Sie wären jetzt in die Wohnung zurückgekehrt, um sich einen Block Marokkanisches zu teilen, Kaffee zu trinken und den Abend lang zu quasseln, ehe sie zum nächtlichen Geschäft hinausgingen.
    Nachdem Polly mit elf Jahren ihre Unschuld verloren hatte, bemühte sich die Mutter – eine Anhängerin der Christlichen Wissenschaft – über das nächste Jahr hinweg, die Sünde aus ihr herauszuprügeln. Mit zwölf verwandte Polly mehrere Monate darauf, alles Geld zu stehlen, das sie nur in die Finger bekam, ohne Argwohn zu erregen. Dann packte sie ihren Rucksack mit tragbaren Wertsachen voll und ließ ihre Mutter auf dem Reprolinoleum liegen, ein altmodisches Gemüsemesser aus rostfreiem Stahl im Unterleib und mit der Anweisung, um eine Wundnaht zu beten. Soweit es Polly anbetraf, hatte sie nie eine Mutter gehabt, und Marjae war der einzige Mensch gewesen, den sie mehr geliebt hatte als sich selbst. Jetzt umgaben sie nur noch Schatten.
    Nachdem sich der Regenfilm um sie aufgebaut hatte und auch die Kapuze geschlossen war, machte sich Polly auf den Rückweg durch Straßen, die unter dem dunstigen Niederschlag schon rutschig wurden. Hin und wieder trug ein Windstoß den Geruch von Schwefeldioxid heran, wie es entstand, wenn die Säure im Regen mit einer weggeworfenen Colabüchse oder sonstigem Müll reagierte. Innerhalb von Minuten traf Polly vor der Tür ihrer Mietskaserne ein, fummelte die Schlüsselkarte in den Schlitz und schob die Tür mit der Schulter auf. Im kalten Licht der Permabirnen stieg sie die Treppe hinauf und hielt dabei den kleinen Taser in ihrer Handtasche griffbereit. Sie war hier schon mal ausgeraubt worden und entschlossen, sich das nicht noch einmal gefallen zu lassen. Vor der Plastiktür zu ihrer Wohnung blickte sie kurz hinter sich, ehe sie die Karte erneut benutzte und eintrat.
    »Licht«, sagte sie und schloss rasch die Tür hinter sich. Das Licht sprang flackernd an, gerade noch rechtzeitig, dass sie den Mann in der Uniform der Spezialkräfte erkennen konnte, ehe er schon vor ihr stand und sie mit dem Rücken an die Tür rammte.
    »Nandru!« Sie war eher überrascht als erschrocken, aber das änderte sich schnell.
    »Du fasst es an, weißt du, und es ruft nach dir … ruft die ganze Zeit nach dir!«, zischte er; sein Atem stank, und die Augen schienen nicht richtig hinsehen zu können.
    »Nandru … was ist denn?«
    Seine Haare waren schmutzig, und die Stoppeln von einer Woche bedeckten das Kinn. Er schien ganz von der Rolle – von irgendetwas getrieben.
    »Aber sie sind von der U-Reg – direkt aus Brüssel«, sagte er. »Laborzüchtungen, da wette ich!«
    »Ich weiß nicht, wovon du redest«, sagte Polly.
    »Weißt du, wie das ist, wenn man gejagt wird?«, knurrte er.
    Sie schüttelte den Kopf.
    Er fuchtelte mit der Pistole, als wollte er seine Worte unterstreichen, aber als er das tat, zuckte Polly zusammen. Das war
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