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Annas Erbe

Annas Erbe

Titel: Annas Erbe
Autoren: Horst Eckert
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kalte Wohnung betrat. Während er sich aus den Resten, die der Kühlschrank hergab, ein Abendessen bereitete, rechnete er die Stunden zusammen, die er heute gearbeitet hatte, und kam auf vierzehn.
    Er zog sich eine Strickjacke an und öffnete ein Bier. Auf der Suche nach Ablenkung schaltete er durch alle Fernsehprogramme, doch er fand nichts, was ihn interessierte. Er legte eine Platte auf. Jazz. Tony Williams. Es war seine Lieblingsmusik, doch an diesem Abend wirkte sie nicht. Sein Fall ging ihm nicht aus dem Kopf. Die Augen. Und Bollmann. Junior, das ist eine Nummer zu groß für Sie.
    Das Telefon riss ihn aus der Grübelei. Es war Corinna. Corinna-Maus, der er kurz, aber heftig hinterhergetrauert hatte. Sie meldete sich zum ersten Mal seit ihrer Trennung vor einem halben Jahr.
    »Wie geht's meinem Kater Carlo?«
    »Ich bin nicht mehr dein Kater. Was gibt es?«
    »Ich wollte nur hören, wie es dir geht.«
    »Gut, wieso?«
    »Ich musste neulich an unseren Urlaub denken. Sag mal, du hast doch noch die Fotos. Eigentlich stehen sie mir genauso zu, oder?«
    »Ich werde Abzüge machen lassen und dir zuschicken. Du wohnst noch bei Holger?«
    »Ja.« Bedrücktheit in ihrer Stimme.
    »Wie geht's dir, Corinna?«
    »Geht so. Muss.«
    »Nicht mehr glücklich mit Holger?«
    »Holger ist ein Arsch.«
    »Selber schuld. Du hattest die Wahl.«
    »Du bist auch ein Arsch.«
    »Danke.« Im Vergleich zweier Ärsche war Holger der attraktivere. Er war Arzt und Sohn reicher Eltern.
    »Ich bin schwanger.«
    »Gratuliere.«
    Der Arzt begann Thann leid zu tun.
    »Meine Brüste sind schon richtig angeschwollen. Ich habe jetzt ein viel intensiveres Verhältnis zu meinem Körper.«
    »Ach was.«
    Noch intensiver. Thann konnte sich Corinna als Mutter nicht vorstellen.
    »Wirst du Holger heiraten?«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht ziehe ich mein Kind alleine auf.«
    »Wie ich dich kenne, weißt du nicht einmal, wer der Vater ist.«
    Es kam wie immer. Das Gespräch endete im Streit. Thann war froh, dass es vorbei war. Nun hatte ein anderer die Probleme mit ihr. Seit es mit ihnen zu Ende war, hatte Thann sich gehütet, einer Frau Liebesgeständnisse zu machen. Die Einsamkeit, unterbrochen von wenigen kurzen Affären, zog er der Wiederholung eines Beziehungsdramas vor.
    Allmählich spürte er die Wirkung des Alkohols. Er war müde und konnte dennoch lange nicht einschlafen. Seine Gedanken pendelten zwischen dem Kopf der Deponieleiche und Corinnas Brüsten. Er lauschte dem Verkehr draußen vor dem Fenster. Ein endloses Rauschen, das auch nachts nicht abbrach.
    Er hörte das Prasseln des Regens und das Peitschen des Winds und ab und zu das Schlagen einer Kirchenglocke.
     
    Gegen Morgen hatte Thann einen seltsamen Traum. Sein Büro war eine große Mülltonne. Schneider und Dalla saßen auf dem Deckel und ließen ihn nicht heraus. Dann kam er irgendwie raus, doch da er nackt war und nach Müll stank, wollten Schneider und Dalla ihn verprügeln. Er floh und gelangte in einen Raum voller Leichenteile. Gliedmaßen, Köpfe, Leiber, männlich und weiblich und alle voller Blut. Dazwischen überall blutunterlaufene Augen. Plötzlich tauchte hinter all den Leichenteilen Bollmann auf. Er zeigte auf Thann und lachte ihn aus. Zwei der Leichen entpuppten sich als Schneider und Dalla. Sie sprangen hoch, und die Verfolgungsjagd begann von Neuem. Sie rannten durch ein Gebäude, das eine Mischung aus Präsidium und Mülldeponie war.
    Es wurde immer schwieriger für Thann. Er musste nicht nur fliehen, sondern auch vermeiden, anderen Menschen zu begegnen, weil er nackt war und stank. Er verlor die Orientierung. Zudem benötigte er immer dringender eine Toilette.
     
    Thann wachte auf und ging pinkeln. Es war halb sechs, eine halbe Stunde, bevor der Wecker klingeln würde. Thann duschte und zog sich an. Sein Magen schmerzte, als wäre er voller Kieselsteine. Thann verzichtete wieder einmal aufs Frühstück.
    Es war noch schwarze Nacht, als er zum Präsidium fuhr. Der Regen hatte aufgehört. Das Autoradio spielte Musik, die Thann schon vor zehn Jahren nicht hatte leiden können. Er spürte, wie eine nervöse Unruhe von ihm Besitz ergriff. Als er einen Zeitungskiosk sah, hielt er an.
     
     
    7.
     
    TOT IM MÜLL!
    WAHNSINNIGER MÖRDER ZERSTÜCKELT LEICHE!
    POLIZEI RATLOS – STADT IN ANGST
     
    Die Schlagzeile nahm die halbe Titelseite ein. Darunter hatte der BLITZ zwei Fotos abgedruckt. Auf dem einen hielt ein Polizeibeamter einen Plastikbeutel, der deutlich erkennbar
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