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Annas Erbe

Annas Erbe

Titel: Annas Erbe
Autoren: Horst Eckert
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ein Panzer kommen und durchbrechen. Und spätestens dann wär' ich wach.«
    »Also keine Chance, etwas auf die Deponie zu bringen?«
    Kaminski wich Thanns Blick aus. Da war was.
    »Nur mit regulär angelieferten Reststoffen.«
    »Und das geht nur über Sie?«
    »Ja.«
    »Ich habe heute Morgen bemerkt, wie zwei Männer eines Transports zu Ihnen in Ihr Häuschen kamen. Ich nehme an, da plaudert man ein bisschen, und im Lauf eines Tages kommt eine Menge an Klatsch und Neuigkeiten zusammen, stimmt's?«
    »Eigentlich nein. Nur hallo, wie geht's. Immer der gleiche Scheiß.«
    »Bitte versuchen Sie sich zu erinnern. War heute irgendetwas anders als sonst?«
    Der Müllpförtner schüttelte den Kopf.
    »Irgendwelche Bemerkungen über eine Tonne, die schwerer war als sonst?«
    Kopfschütteln.
    »Blutflecken, seltsamer Geruch? Hat einer der Arbeiter oder Fahrer sich heute irgendwie anders benommen als sonst?«
    »Nein. Und riechen tut's bei uns immer gleich.«
    »Was ist mit dem Müll, den die Leute direkt zur Deponie bringen?«
    »Sie meinen den Gewerbemüll? Der wird gewogen und inspiziert. Da müssen Papiere ausgefüllt werden. Und ich guck' auch noch nach. Zumindest stichprobenweise, damit uns keiner Sonderabfall unterjubelt, denn der darf gar nicht bei uns drauf. Von denen kann übrigens keiner infrage kommen. Die kommen gar nicht so früh. Heute zum Beispiel kam der erste Gewerbekunde so gegen halb neun. Bauschutt.«
    »Wann fangen Ihre Kollegen an?«
    »Die Transportbesatzungen um fünf, dann fahren sie raus. Die anderen, die auf der Deponie arbeiten, erst später. So gegen sieben.«
    Himmelblau-Kaminski spielte mit den Knöpfen seiner Hosenträger. Thann hörte auf, in die Maschine zu tippen. Er bereitete seinen Angriff vor.
    »Von zehn Uhr abends bis fünf Uhr morgens sind Sie also ganz allein. Sieben Stunden. Kommt es da nicht mal vor, dass einer bei Ihnen klingelt und schwarz etwas abladen will? Ohne Kontrolle und ohne Gebühren zu bezahlen?«
    Kaminski blickte auf seine Hände, verneinte, schluckte, sah auf Thann und fuhr sich durch die Haare.
    Thann verlor die Geduld. Er wurde lauter. »Ich will jetzt eine ehrliche Antwort von Ihnen! Es geht um Mord! Ihre Scheiß-Nebengeschäfte sind mir völlig egal. Mir geht es darum, einen Mord aufzuklären, den Sie nicht begangen haben, zu dessen Aufklärung Sie aber beitragen können. Ich frage Sie noch einmal. Wer hat heute Nacht oder heute Morgen schwarz seinen Müll zu Ihnen gebracht?«
    Der Pförtner schwieg.
    Thann ballte die Fäuste und schrie: »ANTWORTEN SIE!«
    »So etwas ist bei uns grundsätzlich verboten. Für so etwas gibt es bei uns eine Anzeige und die Kündigung.«
    »WEN HABEN SIE DURCHGELASSEN?«
    »Niemand!«
    Thann sprang auf, packte Kaminski am Kragen seines Overalls, riss ihn hoch und knallte seinen Kopf gegen die Wand. Ein kleiner Blutfleck zeichnete sich auf der Raufasertapete ab. Kaminski wimmerte.
    Thann schrie: »WER WAR'S? RAUS MIT DEM NAMEN!«
    Er stieß Kaminski noch einmal gegen die Wand. Der Müllwärter wehrte sich nicht und heulte. Der rote Fleck war größer geworden. Thann ließ Kaminski zurück in den Stuhl fallen.
    Die Gangart gewechselt. Jetzt ruhig, fast freundschaftlich: »Herr Kaminski, wenn Sie mir den Namen sagen, will ich weiter nichts mehr von Ihnen. Keine Anzeige, keine Kündigung, ich werde nichts verraten.«
    Herbert Kaminski heulte weiter vor sich hin. Erst als Thann kurz vor einem neuen Gewaltausbruch stand, begann er zu reden.
    »Kaminski. Ralf Kaminski. Mein Bruder. Er hat einen Betrieb. Teppichböden, Fußbodenbeläge und so. Er kommt fast jede Nacht, wenn ich Dienst hab'. Sie wissen gar nicht, wie hoch die Müllgebühren sind. Und der Wettbewerb in der Branche von meinem Bruder ist hart. Wenn ich ihn nicht schwarz durchlassen würde, hätte er längst Pleite gemacht, sagt er immer. Aber ich schwöre: kein Sonderabfall, nur Reste und alte Teppichböden.«
    Der Mann im blauen Overall redete noch eine Weile weiter, unterbrochen von seinem eigenen Schniefen und Schnäuzen. Immer wieder beteuerte er, dass er niemals Sonderabfall auf die Deponie ließe. Thann überlegte, ob zu dieser Kategorie auch Leichen zählten.
    Als sich Kaminski beruhigt hatte, bugsierte ihn Thann aus dem Raum. Dann hängte er die Zeichnung des Opfers über den roten Fleck an der Wand und genehmigte sich einen letzten Schluck Weinbrand.
     
     
    6.
     
    Thann fror, als er in seinem alten Golf durch Nacht und Regen nach Hause fuhr, und er fror, als er seine
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