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Annas Erbe

Annas Erbe

Titel: Annas Erbe
Autoren: Horst Eckert
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einen blutigen Kopf enthielt. Auf dem anderen erkannte Thann sich selbst. Der Fotograf hatte ihn mit einem besonders dämlichen Gesichtsausdruck erwischt. Das dunkle Haar vom Wind zerzaust, die Augen weit aufgerissen, den Mund offen. Mit wachsendem Zorn las Thann weiter.
     
    Sechsmal machte der Wahnsinnige hack-hack. Dann warf er sein Opfer auf den Müll. – Keine Spuren, keine Zeugen. Die Polizei: vor einem Rätsel. Wer schützt uns vor dem Wahnsinnigen?
    Mehr auf Seite 4.
     
    Dort brachten sie die Zeichnung. Daneben ein Dreispalter:
     
    TOT IM MÜLL – WER KENNT DAS OPFER?
     
    Großspurig verkündete die Zeitung, sie werde ihre Reporter aussenden, den Fall zu klären. Ein Universitätspsychologe wurde mit der Aussage zitiert, die Kriminalgeschichte zeige, dass es meist geistesgestörte Täter seien, die ihre Opfer zerstückelten. Und dann:
     
    Nicht selten tun es Wahnsinnige wieder und wieder. Die Stadt ist in Angst. Und was tut die Polizei? Einzige Auskunft: »Kein Kommentar.« Lesen Sie ab morgen: Die schlimmsten Killer des Jahrhunderts. Die neue Serie im BLITZ! Exklusiv für Sie am Kiosk.
     
    Thann erreichte das Präsidium. Der wuchtige Bau aus den späten Zwanzigerjahren wirkte auf ihn wie eine Festung. In der Nazizeit war hinter den abweisenden Mauern auch die Gestapo untergebracht gewesen. Im Innenhof soll es Erschießungen gegeben haben. Heute war hier der Parkplatz.
    Unter den Autos der Kollegen, die anscheinend bereits arbeiteten, stand der rote Porsche des Kripochefs. Thann parkte am anderen Ende und beschwor sein Ziel: Er wollte noch schneller als Bollmann Karriere machen, mindestens so reich heiraten und sich auch ein solches Auto leisten können.
    In seinem Büro hängte er die Titelseite der Zeitung neben die Fotos der Leiche, die Zeichnung des Opfers und den Plan der Deponie. Er betrachtete die Wand und gewann die Gewissheit, dass er den Fall lösen würde. Nicht einmal zwei Prozent aller Polizeibeamten gehörten wie Bollmann dem höheren Dienst an. Er würde es eines Tages schaffen.
     
     
    8.
     
    »Alle Nachbarn zu befragen, das ist doch gequirlte Kacke. Keiner von denen hat etwas gesehen.«
    Sicherlich drückte Dalla nur aus, was auch die anderen dachten. Doch den aufsässigen Ton konnte Thann nicht durchgehen lassen.
    »Für konstruktive Kritik bin ich offen. Aber zügelt euer Mundwerk. Solange uns nichts Besseres einfällt, bleiben wir bei unserer Vorgehensweise. Außerdem war das Klinkenputzen die Idee von Bollmann.«
    »Okay, Chef.« Schneider.
    Die acht Polizeibeamten der Mordkommission hatten sich im Büro des Kommissariatsleiters zur Morgenbesprechung versammelt. Der Alte selbst fehlte. Ohne sich noch einmal nach dem Fall erkundigt zu haben, war er in Urlaub gefahren. Thann war jetzt auf sich allein gestellt.
    Auf dem Tisch lag ein Plan der Deponie und ihrer Umgebung. Die Häuser, deren Bewohner bereits befragt worden waren, hatte Thann mit einem Kreuz markiert. Mehr als die Hälfte der Häuser hatte noch kein Kreuz. Vier Beamte sollten die Befragung fortsetzen, aufgeteilt in Zweierteams. Die Untersuchung der Deponieumzäunung hatte nichts ergeben. An keiner Stelle war der Zaun beschädigt, nirgendwo gab es Spuren.
    Thann teilte die Teams ein.
    »Miller, du bleibst hier. Du bekommst die Telefonnummer zugeschaltet, die wir gestern an die Presse gegeben haben. Ich rechne mit einem ganzen Haufen von Anrufen. Das meiste werden Spinner und Wichtigtuer sein, aber vielleicht kommen wir weiter. Schneider und Dalla, ihr fahrt mit mir zum Bruder dieses Pförtners. Wir werden seine Teppichfirma auf den Kopf stellen.«
    »Ohne Durchsuchungsbefehl, Chef?«
    »Ohne!« Thann hielt Schneiders Blick stand. »Der hat sich strafbar gemacht. Mehrfach. Der wird kuschen. Noch Fragen? Um zwölf Uhr sehen wir uns wieder, gleicher Ort. Auf geht's, Männer.« Thann fühlte sich großartig. Die Nervosität war verflogen und die Magenschmerzen auch.
     
    Sonnenaufgang. Das Schwarz der Nacht wurde zum Grau des Tages. Die Sonne blieb hinter einem dichten Wolkenschleier verborgen. Nieselwetter. Die meisten Autos fuhren mit Licht.
    Dalla lenkte den Zivilwagen durch die Stadt. Der gleiche Kadett wie gestern. Aus irgendeinem Grund schaffte es Dalla, von der Verwaltung jedes Mal den gleichen Wagen zugewiesen zu bekommen und so den Ärger mit ausgelutschten Schrottautos zu umgehen.
    Im Berufsverkehr ging es nur zäh voran. Ralf Kaminskis Firma für Bodenbeläge lag im Altbauviertel südlich des Bahnhofs. Das Viertel
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