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Anna Marx 9: Feuer bitte

Anna Marx 9: Feuer bitte

Titel: Anna Marx 9: Feuer bitte
Autoren: Christine Grän
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lockerlassen.
    »Mit Wissen, Beziehungen und Kontakten. In Brüssel sitzen Parlamentarier und Bürokraten, und sie werden umschwirrt von Lobbyisten. 6000 sind registriert, aber tatsächlich sind es viel mehr – Vertreter von Industrien, Verbänden und Vereinigungen, die ihre Interessen in der EU vertreten. Es ist ein Spiel, bei dem es um sehr viel Geld geht. Ich berate sie – gegen Honorar natürlich. Stillt das Ihren Wissensdurst?«
    Anna steht auf und blickt auf ihn herab. »Ein Lobbyist der Lobbyisten? Das ist fast so komisch wie Detektivin. Ich wäre nie darauf gekommen.«
    Er sieht sie von unten fast zärtlich an. »Geld ist nie komisch, Anna Marx. Das sollten Sie in Ihrem zarten Alter schon gelernt haben.«
    Er berührt ihren Unterarm, als er aufsteht, und Anna zuckt zurück. Es geht nicht, denkt sie, und an das nie mehr nach dem letzten Scheitern. In Turnschuhen ist sie fast auf gleicher Höhe wie er, sie ist eine große Frau, die immer klein und zierlich sein wollte. Das Hirn ist ein Traumspeicher. Doch immerhin befiehlt es ihren Beinen, sich zu bewegen. »Rufen wir zwei Taxen?«, fragt Anna und rekapituliert das noch verbliebene Bargeld.
    Martin Liebling hat sein Handy in der Hand. Es hat ein paarmal in seiner Jackentasche vibriert, während sie unter dem Kastanienbaum saßen, doch er hat es ignoriert. »Wir nehmen eines, und ich setze Sie ab.«
    »Ich liege nicht auf Ihrem Weg.« Gott, geht es noch zweideutiger? Anna greift an ihre Nase, das tut sie immer, wenn sie verlegen ist. Doch er telefoniert schon, während Anna mit den Füßen im Kies schart. Vielleicht hätte sie doch mit ihm Champagner trinken sollen, statt auf Aufbruch zu drängen. Wenn etwas zu Ende geht, ist sie immer traurig. Also jeden Abend, wenn sie in ihr Bett fällt, das zu groß für eine Person ist. Wer die Mär vom fidelen Single erfunden hat, ist nie alt genug geworden, um die Grausamkeit des Alleinseins zu begreifen. Sibylle hat zumindest ihr Baby. Jemand, mit dem sie reden kann, während es schreit. Jonathan hat kräftige Lungen, und er ist das hässlichste Baby, das Anna je gesehen hat. Und seine Mutter findet ihn schön. Das ist Liebe.

3. Kapitel
    »Damen über fünfzig sind schwer vermittelbar.«
    »Und Sie können ein Lied davon singen«, entgegnet Anna liebenswürdig und mustert ihr Gegenüber mit sorgfältiger Abneigung. Linda Baum ist eine jener alterslosen Brünetten, die dreißig oder fünfzig sein könnten. Makellos geschminkt und gekleidet im Stil des pastellfarbenen Perlenkettenschicks, mit dem Anna sich nie anfreunden konnte. Obwohl sie heute ein Kostüm trägt anstelle der üblichen Hosen und Pullover, und selbst auf den alten Trenchcoat hat sie verzichtet, trotz des Regens, der Berlin überfallen hat wie eine Dusche, die sich nicht abstellen lässt.
    Dennoch: Im Vergleich zur Dame Baum fühlt sich Anna wie die letzte Schlampe. Sie nestelt an ihrem Blusenkragen und sieht sich in dem blasslila Raum nach einem Aschenbecher um. Vergeblich. »Ich bin Raucherin, das kommt erschwerend hinzu«, sagt Anna.
    Linda Baum seufzt dezent und steht auf, um aus einer Schublade einen winzigen Aschenbecher in Herzform zu holen. Die Couch, auf der Anna sitzt, ist blasslila und ebenfalls herzförmig. Dies ist ein lila Eheanbahnungsinstitut, und Linda Baum hat es »Aphrodite« getauft und eine Gipsfigur von entfernter Ähnlichkeit im Eingang platziert. Hier wird der reiferen Generation gedient, die ja auch ein Recht auf Liebe hat. So oder ähnlich formulierte es die Baum am Telefon. Die Detektivin tappt im Dunkeln, doch sie könnte sich vorstellen, dass Julia Mauz das »Aphrodite« gewählt hat. Deshalb sitzt Anna auf der Herzcouch: Andere Institute gaben ihr bereits telefonisch zu verstehen, dass Damen über vierzig zur »Krisenklientel« zählten. Es klang so herzlos, dass Anna nicht glaubt, Julia Mauz könnte ein solches Institut auch nur in Erwägung gezogen haben. Linda Baum hingegen war zuvorkommend, und sie ist es auch jetzt, obwohl sie Anna taxiert wie ein Preisrichter die Pfingstkuh.
    »Sie sind sehr apart auf Ihre Art«, sagt sie schmeichelnd, und Anna hasst diesen Satz. Sie bläst ihrem Gegenüber Rauch ins Gesicht. Wie muss Julia Mauz gelitten haben, nachdem sie sich einmal entschlossen hatte, ihr Glück zu versuchen. Eine kleine graue Person, so unscheinbar, dass sie sich aufzulösen drohte, wenn man sie lange ansah. So sagte ihre Schwester, und Anna gab ihr Recht, nachdem sie die Fotoalben studiert hatte.
    »Sie sind kein
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