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Anna Marx 9: Feuer bitte

Anna Marx 9: Feuer bitte

Titel: Anna Marx 9: Feuer bitte
Autoren: Christine Grän
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sich für die ausweichende Antwort: »Gut genug, um Ehebrecher mit ihren Geliebten zu fotografieren. Meistens regnet es, wenn ich vor einer Absteige stehe und darauf warte, dass sie für mich posieren. Und viele Klientinnen weinen, wenn ich ihnen die Fotos zeige. Es ist ein trauriges Gewerbe, überwiegend.« Anna sieht auf seinen Ring: »Ich hoffe, dass Sie mir nie auf diese Weise begegnen. Ein Zusammenstoß reicht mir.«
    »Ich bin geschieden«, erwidert Martin Liebling. »Meine Frau ist mit dem Golflehrer abgehauen. Immerhin hat sie inzwischen ein beachtliches Handicap.«
    Seine Augen lächeln nicht, während er das sagt. Verrat ist eine Wunde, die nie ganz verheilt. Warum er den Ehering immer noch trägt, verrät er nicht. Anna tippt auf das Naheliegende: Der Ring ist eine gute Abwehrwaffe gegen heiratswütige Frauen. Nett von ihm, dass er sie nicht dazuzählt. Oder er denkt, dass sie schon zu alt ist, um davon zu träumen. Falsch gedacht: Frauen bleiben bis ins Greisenalter romantisch und von der Idee besessen, dass ihr Ritter in strahlender Rüstung noch zu ihnen unterwegs ist. »Ich habe nie geheiratet. Um ehrlich zu sein: Es hat mich nie einer gefragt. Was zu bedauern wäre, wenn ich an die Institution der Ehe glaubte.«
    Liebling hat den Bierdeckel mit Annas Unterschrift in seine Jackentasche gesteckt. Sie deutet es als eine Geste des Aufbruchs, doch er bestellt noch zwei Gläser Bier. Das ist gut, weil Annas Durst groß ist und sie nie wieder überlegen muss, ob Alkoholpegel und Autofahren zusammenpassen. Sie holt eine Visitenkarte aus ihrer Handtasche, schließlich muss der Mann wissen, wo er sein Geld eintreibt.
    Welches Geld? Liebling studiert die Karte, als ob sie ihm Aufschluss gäbe über Anna Marx im Besonderen. »An welchem Fall arbeiten Sie gerade?«
    Anna öffnet einen Knopf ihres T-Shirts. Nicht, um ihn zur Heirat zu verführen, sondern um Sonne an ihre Haut zu lassen. Dieser Tag wäre wunderschön, wenn sie rechtzeitig auf die Straße geschaut hätte, statt nach Zigaretten zu suchen. Sein Blick ist schwer einzuschätzen, doch böse ist er nicht. Es scheint ihn wenig zu berühren, dass sein Wagen demoliert ist. Ein Mann, der nicht an Dingen hängt, das gefällt ihr. Und so erzählt sie ihm unter Weglassung der Namen die Geschichte des Heiratsschwindlers, den sie unbedingt finden muss, um Eva Mauz ihren Seelenfrieden zurückzugeben. Und eine Prämie zu kassieren, auch dieser Aspekt ist von Bedeutung, besonders jetzt.
    »Die Schwester meiner Klientin hat sich umgebracht, das war vor vier Wochen. Nennen wir sie Helga. Helga war siebenundfünfzig, als sie sich in ihrem Wohnzimmer erhängte. Es war Selbstmord, und die Schwester ist überzeugt, dass ein Mann daran schuld ist. Einer, dem Helga ihr Erspartes anvertraut haben muss, denn es ist nichts mehr auf den Konten. Ungefähr eine halbe Million, die Schwestern hatten ein Grundstück geerbt und es verkauft. Meine Klientin kennt diesen Mann nicht, sie hat ihn nur einmal von weitem auf der Straße gesehen. Helga war eine Frau, die ihr Privatleben sehr unter Verschluss hielt. Sie war einsam, sie hatte keinen Freundeskreis, und die Schwestern verstanden sich auch nicht besonders gut. Das ist zumindest mein Eindruck. Doch der Selbstmord hat Schuldgefühle ausgelöst. Sie will diesen Mann unbedingt finden, denn sie braucht einen, der verantwortlich ist. Vielleicht will sie auch nur das Geld zurück, ich weiß es nicht, aber es spielt für den Auftrag ja auch keine Rolle. Ich durchkämme also Berlin nach einem Heiratsschwindler, von dem ich weder weiß, wie er heißt, noch, wie er aussieht.«
    Anna hält in ihrem Redefluss inne, um einen Schluck zu trinken.
    »Die Welt ist schlecht«, sagt Liebling, und sieht so aus, als ob er wüsste, wovon er spricht.
    »Und viele Leute leben gut davon«, erwidert Anna. Sie lächeln einander an. Sie wissen nichts voneinander. Darin liegt die Erotik jedes Anfangs – und vielleicht die Tragödie jedes Endes. Anna fühlt ihren Bauch, das ist ein schlechtes Zeichen. Das letzte Mal war es ein schöner Jüngling mit schlechtem Charakter, der chemische Reaktionen auslöste. Man kann sich nicht auf sie verlassen. Vielleicht wäre Helga alias Julia Mauz noch am Leben, wenn sie ihren Bauch ignoriert hätte. Oder sie hätte sich eines Tages aus Einsamkeit umgebracht … es gibt viele Gründe, das Leben nicht zu lieben … und keinen einzigen, der gegen die Liebe spricht.
    Immerhin bin ich noch keinem Heiratsschwindler aufgesessen,
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