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Anna Marx 9: Feuer bitte

Anna Marx 9: Feuer bitte

Titel: Anna Marx 9: Feuer bitte
Autoren: Christine Grän
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besseren Sache würdig wäre, hat die Marx einmal gesagt. Stammt sicher nicht von ihr, doch den Satz könnte Wanda sich auf die Stirn tätowieren lassen.
    »Wir werden ihn fassen.« Ihre Stimme klingt brüchig.
    Anna nickt, obwohl sie nicht daran glaubt. Obwohl es ihr fast gleichgültig ist, so seltsam sie das auch findet. Der Wahrheit ist Genüge getan, und die Gerechtigkeit kann warten. Wenn sie darin besteht, dass Martin in seiner kleinen, privaten Hölle schmort – und davon geht sie aus dann soll ihr das reichen. Gefängnisse erschienen ihr nie als Ort der Sühne, sie sind Bewahrungsanstalten, mittels derer sich die Gesellschaft vor ihren Tätern schützt. Und die Schlimmsten laufen ohnehin frei herum. Das muss sie Wanda Kroll aber nicht erzählen, die Frau hat einen Job, den sie ernst nehmen muss, um nicht verrückt zu werden.
    »Wir wissen fast alles, nur nicht, warum er es getan hat«, sagt die Kommissarin. Warum tun sie das? Belügen, betrügen, demütigen, quälen, töten …? Wanda wollte Philosophie studieren, wenn sie es nur getan hätte. Dann könnte sie sich jetzt mit Theorien beschäftigen, statt in der Praxis menschlicher Gemeinheiten zu wühlen.
    »Vermutlich werden wir es nie erfahren«, sagt Anna. Sie steht auf und lässt die Zigarettenpackung auf dem Tisch liegen. »Ich muss jetzt nach Hause. Sie wissen ja, wo Sie mich erreichen.«
    Sie könnte die Marx daran hindern, doch Wanda entscheidet sich für die Güte. Die Detektivin sieht aus, als ob sie gleich zusammenbrechen würde. Sie hat abgenommen. Gut möglich, dass die Erinnerung an einen Mörder an ihrem Fleisch zehrt. Es sind Männer, die das Beste in Frauen umbringen. »Aber keine Ausflüge mehr – nach Brüssel oder sonst wohin. Und falls er sich melden sollte, rufen Sie mich sofort an – hier oder zu Hause.«
    »Warum sollte er?«, sagt Anna. Eine Fliege kreist über einer Fleisch fressenden Pflanze, verwegen – oder einfach nur dumm. Die beiden Frauen warten, bis das Unvermeidliche geschieht. Dann lächeln sie sich an.

29. Kapitel
    Liebe Anna!
    Die Zeitungen auf dieser Insel sind uralt, aber das tut nichts zur Sache, weil Zeit hier keine Rolle spielt. Die Sonne geht auf und sie geht unter. Dazwischen liegen Tage und Nächte, die immer gleich sind. Die ewige Ruhe scheint hier eingezogen, und habe ich mich nicht immer davor gefürchtet?
    Aus der Zeitung habe ich erfahren, dass ich mit internationalem Haftbefehl gesucht werde: Martin Liebling, der Mörder seines Bruders. Du bist also der Wahrheit auf die Spur gekommen. So enttäuschend, die Wahrheit, nicht wahr? Zumal -wenn sie von einem geschwollenen Knöchel zehrt. Die Frage, ob es dir auffallen würde, hat mich eine Weile beschäftigt, aber was geschehen ist, ist geschehen. Wäre dir Martin Liebling als Toter lieber gewesen? Vermutlich ja, weil du eine Moralistin von zweifelhafter Moral bist.
    Doch das sind Fragen, auf die ich keine Antwort erhoffe, weil ich nicht die Absicht habe, mich der irdischen Gerechtigkeit auszuliefern. Du würdest mich an Geburtstagen im Gefängnis besuchen, und ich würde über die kulinarischen Aspekte meiner Unterkunft Klage führen. Wie langweilig, und überdies wäre ich bis ans Ende meiner Tage der Liebe von Alicia ausgeliefert, die sicher jede Woche kommen würde. Helena wird sich mithilfe ihres teuren Anwalts aus der Affäre ziehen – und wenn nicht, hat sie es auch verdient. Schließlich hat sie mich nur deshalb nicht verraten, weil ich ihr viel Geld geboten habe. In gewisser Weise ist sie ein perfektes Wesen, weil sie ausschließlich sich selbst liebt und Männer nur der Spiegel sind, in dem sie sich bewundert.
    Du, liebe Anna, könntest von ihr lernen, denn deine Zweifel an allem – und insbesondere an deiner Person – unterwandern die prinzipielle Lebenslust, die ich immer so anziehend fand. Du hast dir den falschen Beruf ausgesucht – trotz deiner entsetzlichen Neugierde. Denn dein Sinn für Gerechtigkeit ist, erlaube mir diese vermessene Anmerkung, in gewaltiger Schräglage. Die zehntausend Dollar, die ich diesem Brief beifüge, betrachte bitte als Schmerzensgeld. Oder Versuchung? Sofern sie nicht auf dem weiten Weg zu dir verloren gehen … das wäre Schicksal. Alles ist Schicksal, selbst auferlegtes vielleicht, aber weiß man immer, was man tut, solange es noch abwendbar wäre?
    Womit ich zu der Erklärung komme, die du verdienst nach allem, was du mit meiner Leiche erleiden musstest – oder seiner. Ja, ich gestehe es: Ich habe David mit
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