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Anna Marx 9: Feuer bitte

Anna Marx 9: Feuer bitte

Titel: Anna Marx 9: Feuer bitte
Autoren: Christine Grän
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Zigarettenschachteln, Zeitschriften. Sie stopft alles in ihre große Tasche, das Füllhorn ihres ungeordneten Lebens, und setzt sich dann wieder auf den Stein am Straßenrand. Rauchend. Anna Marx ist ihren Lastern treu ergeben und pfeift auf Himmelszeichen. Sie nimmt Abschied von ihrem geliebten MK II, und hierzu braucht sie eine Krücke.
    Ein Glas Whisky wäre auch gut, aber mitten in der Pampa kaum zu kriegen. Und sollte er es sich überlegen und doch die Polizei rufen, wäre es auch nicht klug.
    Er steht in der Sonne und sieht erbarmungswürdig aus. Fünfzehn Jahre ist es her, dass sie den Wagen kaufte, mit ihren ersten und letzten Ersparnissen, denn fortan war der alte Jaguar ihr Sparschwein, ein Gefährt von solcher Fragilität, dass ein plötzlicher Wetterumschwung ihn zum Erliegen brachte. Bei heftigen Regenfällen blieb er grundsätzlich stehen, und den Winter mochte er so wenig wie seine Fahrerin, sodass sie ihn meistens in der Garage ließ. Er war einfach nur schön, und vielleicht liebte sie ihn, weil er nicht perfekt funktionierte und kein austauschbares Ding war wie Lieblings Fahrzeug. Sie wird den nachtblauen Gefährten vermissen, obwohl sie ihn in Berlin so gut wie nie gefahren hat. Deshalb hat sie ihn ja auch abgemeldet, und welcher Teufel hat sie geritten, ihn an einem Samstagnachmittag aus der Garage zu holen?
    Fjodor hat bei geöffnetem Fenster gesungen, das war ein Grund. Fjodor haust über Annas Wohnung und Büro, und er hält sich für Caruso mit russischem Akzent. Eva Mauz rief an und fragte, ob der Heiratsschwindler, der Mörder ihrer Schwester, schon gefasst sei. Der Wasserhahn tropfte, und auf dem Schreibtisch lagen unbezahlte Rechnungen. Draußen schien die Sonne. Straßenlärm kroch durch schmutzige Scheiben. Der Gummibaum grinste sie an, ach, es gab tausend Gründe, warum sie auf diese wahnwitzige Idee verfiel.
    »Der Abschleppdienst ist in fünfzehn Minuten da. Meinen Termin habe ich abgesagt, er war ohnehin nicht so wichtig. Sollen wir irgendwo einen trinken gehen? Darauf, dass wir noch leben?«
    Anna sieht Liebling von schräg unten an. »Ich habe auch Hunger. Die normale Reaktion meines Magens auf katastrophale Ereignisse.«
    »Passieren die öfter?« Vielleicht wollte Martin Liebling gar nicht auf Annas Rundungen anspielen, doch so interpretiert sie seine Frage und funkelt ihn böse an. »Ich kann auch in meine Stammkneipe fahren und mir dort überlegen, wie ich Ihr blödes Auto bezahlen soll.« O nein, das war falsch. Sie will doch einen guten Eindruck machen, selbst in aussichtsloser Lage. »Nein, ich trinke gerne einen. Es muss der Schock sein. Ich bin böse auf mich und traurig, weil ich mir nie wieder ein so schönes altes Auto leisten kann. In Zukunft werde ich zu Fuß gehen …«
    »… aber nicht mit solchen Schuhen.« Liebling beginnt zu lachen und erwärmt damit Annas Herz. Sie ist ein Single mit Sexproblemen. No Sex. Er trägt einen Ehering, was nicht mehr viel heißt in treulosen Zeiten. Anna hat vor kurzem ernsthaft erwogen, sich einen Ring zu kaufen. Vorspiegelung falscher Tatsachen, aber Sibylle hätte dies ausgiebig kommentiert, und die Begründung »Ich wäre aber gern verheiratet« erscheint selbst Anna als abwegig.
    »Sollen wir zu Fuß gehen oder ein Taxi rufen?«, fragt Anna, und sie entscheiden sich für einen Spaziergang durch Zehlendorf, bis sie eine Kneipe finden, die geöffnet hat. Anna wechselt schon einmal in die Turnschuhe, Fußbekleidung, die sie hasst, aber hier und jetzt ist ihr das egal. Wenn Männer zu beneiden wären, dann um ihre Schuhe, die immer Bodenhaftung haben. Liebling steht abseits und telefoniert, dies scheint seine Krankheit zu sein. Danach rauchen sie gemeinsam, diesmal seine Zigaretten, und sehen in den wolkenlosen Himmel, der von Sommer kündet und Tagen, nach denen sich alle sehnen, um dann unter der »Affenhitze« zu stöhnen.
    Wie lebt man damit, Liebling zu heißen? Anna sieht ihn von der Seite an. Sein Gesicht ist nicht schön, aber sehr entspannt. Braune, freundliche Augen und graue Haare, die Nase ist zu groß, und die Lippen sind eine Spur zu schmal. Attraktivität unterliegt keinen Normen, zumindest nicht bei Männern. Er sieht aus, als habe er mit sich und der Welt Frieden geschlossen, ohne allzu selbstgefällig zu werden. Er raucht und trinkt, das ist beruhigend, und die sanfte Wölbung des Bauches unter dem schwarzen Jackett lässt darauf schließen, dass er auch der Völlerei nicht abgeneigt ist.
    Menschen mit Lastern sind
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