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Anna Marx 9: Feuer bitte

Anna Marx 9: Feuer bitte

Titel: Anna Marx 9: Feuer bitte
Autoren: Christine Grän
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sie den Fragebogen überfliegt. Niemals hätte sie sich der Selbstdarstellung mittels Kamera ausgesetzt, dazu war sie viel zu scheu.
    »Der Austausch von E-mails ist allerdings erlaubt, wenn dies gewünscht wird. Wir können uns dem Zug der Zeit nicht ganz verschließen. Obwohl: Die Kunst zu lieben ist stets romantisch gewesen, wie schon Novalis schrieb. Die Rechnung ist übrigens beigefügt: Zweitausendfünfhundert Euro plus Mehrwertsteuer, zahlbar innerhalb einer Woche.«
    Adieu, Novalis. Anna denkt an unbezahlte Rechnungen und sagt: »Das entspricht in etwa den Kosten einer Oberlidstraffung.«
    Linda Baum lächelt nicht mehr. Vielleicht liegt es daran, dass ihr altersloses Gesicht, von Chirurgen nachgebessert, nicht allzu viel Mimik verträgt. Oder es mangelt ihr an Humor. »Wie ich sehe, haben Sie noch nicht daran gedacht, Frau Marx. Sehr klug von Ihnen. Die Männer bevorzugen die natürlichen Geschöpfe Gottes.«
    Aber nur bis fünfundzwanzig, denkt Anna. Von da an können wir zusehen, wo wir mit unseren Falten bleiben. Bei Anna sind sie um die Augen verteilt und auf der Stirn eingeprägt, nur die Mundpartie ist bisher verschont geblieben. Linda Baum hingegen ist beinahe faltenlos, und dennoch könnte dieses Gesicht eine alte Maske sein, die abscheuliche Kopie jugendlicher Schönheit. Frauen sind ja so erbarmungslos mit ihren Geschlechtsgenossinnen, während sie Männern fast alle körperlichen Makel verzeihen. Nur stark und sensibel sollten sie sein, klug und humorvoll. Anna vermutet, dass Julia Mauz diese Worte wählte. Sie wünschte sich den ritterlichen Romeo und bekam einen Freibeuter.
    »Und wie ist das weitere Prozedere?«
    Sie entfernt Annas Aschenbecher mit spitzen Fingern. »Wenn wir den Fragebogen analysiert haben und das Honorar überwiesen ist, stellen wir Ihnen schriftlich einen Kandidaten vor. Sie können dann entscheiden, ob Sie ihn treffen wollen oder ob Sie einen weiteren Vorschlag wünschen. Und so weiter …«
    »Das klingt nach grenzenlosem Vorrat«, sagt Anna in den Baum-Rücken, der in rosa Chanel verpackt ist.
    Sie dreht sich um: »Es gibt viele einsame Herzen in Berlin, Frau Marx. Ich bin zuversichtlich, dass wir Ihren Herzenspartner finden.«
    »Das ist schön. Aber ich habe es ziemlich eilig.« Gott, das war wieder so ein Marx-Lapsus. Linda Baum hat den Mund geöffnet und sieht jetzt leicht dümmlich aus. »Ich meine, dass ich es gar nicht erwarten kann, den Mann meiner Träume zu finden. Ich werde Ihnen Geld und Fragebogen also umgehend zusenden.« Aber nur, wenn Eva Mauz die Kosten trägt, denkt Anna, und dass sie es tun wird, weil sie sich in die »Suche nach dem Mörder« verbissen hat wie ein Bullterrier. Eine Rasse, der sie auch äußerlich ein wenig ähnelt: klein, kräftig, mit dicken Speckfalten um den Hals. Julia war ganz dünn, und sie war grau. Ob sie begonnen hat, sich zu schminken, als sie ihrem Ritter begegnete?
    Die herzförmige Couch ächzt, als Anna sich erhebt. Sie hat die Papiere in ihre Handtasche gestopft und schüttelt jetzt eine Hand mit sorgfältig lackierten Nägeln. Dieses Kunststück hat Anna noch nie fertig gebracht. Sie ist der unvollkommenste Mensch, den sie kennt. Allerdings mit Humor gesegnet, der die Schwächen etwas abfedert. Sie hat noch nie von einem Mann gehört, der sich eine humorvolle Frau wünscht. Das wird sie also nicht in den Fragebogen schreiben. »Ich danke Ihnen für die Audienz, Frau Baum.«
    Nicht ein Gran ironischen Verständnisses ist erkennbar. Die »Aphrodite«-Kupplerin verzieht ihre Lippen zu einem süßen Lächeln und begleitet Anna zur Tür. »Geliebt wird nur, wer sich selbst liebt«, sagt sie zum Abschied.
    »Aber das ist das Schwerste«, erwidert Anna, die immer das letzte Wort haben muss. Doch die Tür hat sich bereits geschlossen, und Anna steht im Flur des Treppenhauses, das nicht herzförmig ist. Sie braucht jetzt Nervennahrung und beschließt, ihre Stammkneipe aufzusuchen, ihr Wohn- und Speisezimmer, Sibylles Kneipe, die »Mondscheintarif« heißt, von mittags bis Mitternacht geöffnet ist und einsamen Herzen zwar keine bessere Hälfte anbietet, doch immerhin Gesellschaft, Lärm und Gelächter, kühle Getränke und heißes Essen.
    Sie ist aus Annas Leben nicht wegzudenken, diese Kneipe, so wenig wie die Freundin, die nach Annas Umzug von Bonn nach Berlin der einzige Mensch ist, der ihr wirklich nahe steht. Jemand, den man anrufen kann in Verzweiflung und Freude, eine, die Anna zuhört, wenn sie traurig ist, und mit ihr
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