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Anna Marx 9: Feuer bitte

Anna Marx 9: Feuer bitte

Titel: Anna Marx 9: Feuer bitte
Autoren: Christine Grän
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lacht, was beide lieber tun, aber nicht immer können. Ihre kleine Straße im Scheunenviertel ist Annas Kosmos, den sie nur verlässt, um zu arbeiten, einzukaufen, in ein Restaurant, Konzert oder einen Film zu gehen. Im Sommer radelt sie manchmal an den Wannsee, dies ist ihre einzige sportliche Note, denn sie hasst Leibesübungen in jeglicher Form.
    Ausgenommen Sex, und natürlich fällt ihr jetzt Martin Liebling ein, während sie im Bus steht, der durch Regen und Verkehr schlittert. Der unselige Samstag, die Schulden, die Auskunft der Werkstatt, dass sie das Lenkrad und die Kühlerfigur einzeln verkaufen und den Rest verschrotten solle. Mechaniker sind so humorvoll. Sie hat die Figur geholt und den Wisch unterschrieben, dass ihr MK II in die ewigen Jagdgründe eingehen soll. Ihr Namenszug war ein wenig verwischt, und auf dem Nachhauseweg kehrte sie bei Sibylle ein und trank zu viel. »Noch ein Toast auf die schönsten Autos der Welt«, und Freddy, der schwule Barkeeper, tröstete sie damit, dass er wie ein Teufel Caipirinhas mixte. Sibylle bot ihr ein Darlehen von dreitausend Euro an, die Anna mit Babysitten abstottern könne, wenn sie das wollte.
    »Nur, bis ich die Prämie für den Heiratsschwindler kassiert habe«, sagte Anna.
    Sofern dies jemals geschehen sollte, und ihre größte, vielleicht einzige Chance ist das Heiratsinstitut. Unwahrscheinlich, dass Julia Mauz ihrem Verehrer bei einem Spaziergang begegnet ist. Sie war schüchtern und ließ sich nicht so ohne weiteres ansprechen. Eva Mauz ist davon überzeugt, dass ihre Schwester im Wege der Vermittlung zu Fall gekommen ist. Und beklagt, dass man sie nicht zu Rate gezogen habe. Sie ist, anders als ihre Schwester, ein kommunikativer Mensch. Eine Endlossprechblasenmaschine, die mit beängstigender Herzlichkeit über Menschen herfällt und sie nicht mehr loslässt. Obwohl Eva Mauz allein lebt, wie ihre Schwester es tat, ist sie pausenlos unterwegs zu Bridgeclubs, literarischen Matineen, Wohltätigkeitsveranstaltungen, Ausstellungen, um nur niemals mit sich selbst allein zu sein. So verschieden, doch Anna versteht, warum Julia die Gesellschaft ihrer Schwester mied, so gut sie konnte. Eva Mauz sägt an den Nerven ihrer Mitmenschen. Es vergeht kein Tag, an dem sie nicht anruft und die Detektivin nach »Fortschritten« fragt, um dann von diesem und jenem zu erzählen oder Anna zu einer »wundervollen Lesung im kleinen Kreis« einzuladen. Jeder Tag wird zu einem Ereignis deklariert, und Berlin liebt die älteren, gut situierten Damen, die Kultur, Kaffeehäuser, Friseure und Hundesalons fördern.
    Ich bin ein boshaftes altes Weib ohne Geld, denkt Anna, während sie nach einer leeren Bierdose tritt, die scheppernd auf die Straße rollt. An der Bushaltestelle musste sie sich ihren Weg durch diejenigen boxen, die einsteigen wollten. Jugend forscht, wie rücksichtslos man sich durchs Leben und ins Trockene kämpfen kann, wenn die Sintflut kommt. Dann verwandeln sich die Straßen in ein Meer der Gehetzten, die Schirme als Lanzen einsetzen. Anna wünscht sich Gummistiefel anstelle der teuren, italienischen Schuhe, die alles sind, nur nicht wasserdicht. Verfluchte Eitelkeit, die Frauen nicht verlässt, solange sie auf den Füßen stehen.
    Kurz bevor sie die Kneipe erreicht, klingelt ihr Handy. Sie fischt danach in ihrer großen Handtasche, findet es auf wundersame Weise und drückt auf den richtigen Knopf.
    »Was machen Sie gerade?«
    Martin Lieblings Stimme: »Ich stehe im Regen«, sagt Anna.
    »Klingt gut. Ihre tausend Euro sind bei mir eingegangen, herzlichen Dank.«
    »Keine Ursache.« Anna springt auf die Treppe und steht unter dem Vordach. Vor ihr der Regen und hinter ihr die Tür zur trockenen Zuflucht. Er muss sich noch ein paarmal bedanken, bis ich meine Schulden bezahlt habe, denkt Anna und drückt das Handy an ihr nasses Ohr. Am Telefon wird sie immer sehr wortkarg, was daran liegen mag, dass sie modernen Kommunikationsformen nur bedingt gewachsen ist.
    »Ich rufe aus Brüssel an, aber ich bin übermorgen in der Stadt. Sollen wir essen gehen?«
    Die Tür geht auf, Anna erschrickt und lässt das Handy fallen. Es liegt in einer Pfütze am Fuß der Treppe, und eine weibliche Stimme sagt: »Kannste nicht woanders telefonieren?«
    Anna dreht sich um. »Kannste nicht aufpassen, du Trampel?«
    »Selber Trampel.« Das Mädchen schiebt sich an Anna vorbei, und das Wunder geschieht: Es bückt sich und hebt Annas Telefon auf. »Hier. Scheint noch zu leben, obwohl’s schon
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