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Anna Marx 9: Feuer bitte

Anna Marx 9: Feuer bitte

Titel: Anna Marx 9: Feuer bitte
Autoren: Christine Grän
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so ein olles Ding ist.«
    Die Verbindung ist unterbrochen. Bevor Anna etwas sagen kann, verschwindet das Mädchen im Regen. Die Welt ist in dieser Ecke Berlins nicht höflich, doch für überraschende Gesten immer gut. Neulich hat ihr ein junger Mann das Fahrrad aufgepumpt, statt es zu klauen. Anna schämt sich für den »Trampel« und alle bösen Worte, die ihr so schnell über die Lippen kommen. Sie wartet, ob Liebling sich nochmals meldet, doch das Handy bleibt stumm. Natürlich könnte sie zurückrufen, es ist nur ein Tastendruck, doch sie bringt es nicht fertig. Eine Barriere aus Stolz und Scheu, die Anna nie gänzlich überwunden hat. Man darf sich den Männern nicht an den Hals werfen, ein Spruch ihrer Mutter, die längst tot ist, doch in all ihren furchtbaren Sätzen weiterlebt. Regen bringt Segen.
    Anna wischt sich ein paar Regentropfen, die sich unters Vordach verirrt haben, aus dem Gesicht und öffnet die Tür zum »Mondscheintarif«. Liebling wird wieder anrufen. Sie schuldet ihm noch siebentausend Euro. Sie wird nicht mit ihm ins Bett gehen. Doch gegen ein anständiges Abendessen wäre nichts einzuwenden. Warum ruft er nicht an?

4. Kapitel
    Anna sitzt im »Einstein« und hat Eugénio de Andrade vor sich liegen. Anstelle einer roten Rose, dem romantischen Erkennungszeichen der »Aphrodite«-Jünger und -Mädels, die von Linda Baum verkuppelt werden, auf dass der Tod sie scheide. So weit sind wir noch nicht, so weit wird es nie kommen, denn die Detektivin sucht einen Heiratsschwindler. Sitzt deshalb im »Einstein« und ist nervös wie vor einem Zahnarztbesuch. Die Luft beginnt zu schmerzen, wenn aus Liebe ganz langsam die Abfalle ins Stroh fallen …
    Andrades Gedichte sind zu schwer für eine Wartezeit, die Worte verschwimmen vor ihren Augen. Vielleicht braucht sie eine neue Brille. Und sie hätte nicht Wein, sondern Tee bestellen sollen, der Mann könnte sie für eine Alkoholikerin halten und auf der Stelle umkehren, wenn er sie, das Buch und das Weinglas sieht. Die brennende Zigarette. Sie hat nicht gelogen, nur ein wenig gemogelt, als sie sich beschrieb. Ein unvollkommenes Wesen von widerspenstiger Natur. Nicht gut genug, um sich vorbehaltlos zu lieben. Nicht schön genug, um geliebt zu werden. Gepeinigt von der Sehnsucht nach dem perfekten Ich. Nach dem einen oder den sechs Richtigen … und Anna würde sich noch die Zusatzzahl wünschen, weil sie so unbescheiden ist.
    »Ein unscheinbarer Dichter«, das waren Worte seines Briefes, von Hand geschrieben. Poeten neigen zu falscher Bescheidenheit. Poeten sprechen die romantische Seite der Frauen an, vielleicht ist Josef Gangwein der Mann, der Julias Herz gebrochen hat. Der Politiker, den sie mittags besichtigt hat, ist von der Liste gestrichen. Heiratsschwindler halten keine marxistischen Vorträge beim ersten Treffen. Vielleicht ist sie ein Opfer ihrer Vorurteile, aber einen Altkommunisten kann sie sich in diesem schrägen Metier nicht vorstellen. Im Falle einer späteren Heirat, sagte er, würde er ihren Namen annehmen, doch vorher müsse sie in die Partei eintreten. Ein attraktiver Mann mit schnarrender Stimme, dem Anna eine halbe Stunde lang lauschte, bevor sie zu Wort kam. Sie sagte ihm, dass sie eine kapitalistische Pflanze sei, zur Umtopfung ungeeignet, und überhaupt: Das erotische Moment fehle. Sprach’s und ließ ihn sitzen. Niemals hätte Julia Mauz sich in diese Stimme verlieben können. Sie klang wie knirschende Stiefel auf sibirischem Eis, und obendrein trug er braune Sandalen über karierten Socken Frauenherzen und braune Sandalen kommen nie zusammen.
    Abgehakt, und nun wartet sie auf den nächsten Mann, den ihr Linda Baum zugedacht hat. Der Dichter, von dem Anna hofft, dass er der Richtige ist. Ein schneller Erfolg wäre das, was ihr Konto braucht. Eva Mauz hat zehntausend Euro Kopfgeld in Aussicht gestellt. Sie nennt es »Erfolgsprämie«, und natürlich geht sie davon aus, dass die Detektivin sowohl den Mann als auch das Geld findet. Was nicht unbedingt sein muss: Er könnte es verzockt haben oder in Aktien investiert, was im Grunde auf dasselbe hinausläuft. Anna hat ein einziges Mal an das Wunder der schnellen Geldvermehrung geglaubt. Ihre Aktien fielen ins Bodenlose. Geld macht unglücklich, besonders wenn man es nicht hat.
    Und nun sieht sie den Dichter durch die Tür kommen: Josef Gangwein trägt einen Hut und darunter weiße Haare, in einem Pferdeschwanz gebändigt. Ein Poet in Erscheinung und Gebaren, denn er verbeugt sich, als
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