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Anita Blake 12 - Nacht der Schatten

Anita Blake 12 - Nacht der Schatten

Titel: Anita Blake 12 - Nacht der Schatten
Autoren: Laurell K. Hamilton
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Entschluss hatte sich nichts geändert. Er konnte nur nicht eigenhändig Selbstmord begehen.
     
    Ich neigte mich dicht an ihn heran, beide Hände an seiner Brust, und flüsterte: »Ich werde Ihnen helfen. » »Mir helfen? Wie?« Doch er klang ängstlich, als wüsste er es schon.
     
    Mir fuhr ein brennender Schmerz in die Brust. Meine Knie gaben nach, und Chimera fing mich ab, behutsam mit seinen Krallenhänden. Ich glaube, es war eine automatische Geste. Plötzlich sah ich durch Richards Augen, wie ihm eine Werhyäne ins Gesicht knurrte, fühlte, wie sie ihm die Brust aufriss. Unter brennenden Schmerzen fühlte ich Knochen brechen, dann Gefühllosigkeit, und Richard wehrte sich nicht mehr. Er überließ sich dem Taubheitsgefühl, und ich wusste augenblicklich, dass Richard sterben wollte, oder vielmehr, dass er nicht so weiterleben wollte. Durch die Schmerzen hatte er sich mir geöffnet, sodass ich ihn spürte, aber seine Bewegungen waren zu langsam, er konnte sich nicht mehr verteidigen. Er würde niemals zugeben, dass er den Tod wählte, aber er sehnte sich danach, und das machte ihn langsam. So langsam, dass der Hyänenmann ihm den Brustkorb aufbrechen konnte wie eine reife Melone.
     
    Shang-Da war zur Stelle, um die Hyäne von ihm runterzuzerren. Dann war ich wieder bei mir, flog durch die Luft und in den weißen Vorhang und die Nische dahinter. Der Vorhang fing mich ein bisschen ab, und die letzten Reste von Richards Benommenheit bewirkten, dass ich den Aufprall nicht so spürte. Kurz lag ich in einem Haufen Stoff, stieß einen Arm zur Seite und spürte Metall. Ich hob den Saum des Vorhangs an und sah, dass die Nische voller Waffen war. Endlich hatte ich die Klingen gefunden. Chimera hatte mich in die Nische geschleudert, und der Schock über Richards Verwundung hatte die Ardeur abgewürgt. Meine Hand schloss sich um ein Messer, das länger war als mein Unterarm. Ich hob es ins Licht; es war aus Silber. Die Ardeur war verschwunden, ohne dass ich ihren Hunger gestillt hatte, und ich war bewaffnet. Das Leben war schön.
     
    Dann hörte ich Krallen durch Fleisch dringen, ein sattes, reißendes Geräusch. Wenn man es oft genug gehört hat, erkennt man es sofort.
     
    Ich sah zu den aufgehängten Männern, sie hingen still. Mein Magen zog sich zusammen, denn ich wusste, wo Chimera war. Ich wusste nur nicht, wen von beiden er zerfetzte.
     
    Ich griff in den Vorhang, um ihn von mir wegzustoßen und aufzustehen. Da stand Abuta vor mir. Ich schleuderte ihm den Stoff entgegen. Er tat, was jeder täte: er wich aus, und dabei trieb ich ihm die Silberklinge in den Leib und aufwärts zum Herzen.
     
    Er kreischte, griff nach hinten, wo Chimera meine Leute aufriss. Er sagte etwas in einer Sprache, die ich nicht verstand. Als er zusammenbrach, drehte ich die Klinge, um das Herz zu treffen, doch sie war breiter als meine Messer und steckte zwischen den Rippen fest. Sie wollte sich nicht dahin schieben lassen, wo ich sie haben wollte. Kurz sah ich einen goldbraunen verwischten Fleck, dann traf mich Chimeras Faust, und ich flog gegen die baumelnden Leiber. Sie schrien auf. Ich landete am Boden und versuchte, Luft zu kriegen. Er hatte mich an der Schulter getroffen, die jetzt taub war.
     
    Chimera kniete über den Schlangenmann gebeugt und hielt ihn im Arm. Eine Bewegung am Rand meines Blickfeldes ließ mich den Kopf drehen. Cherrys Oberkörper bestand nur noch aus blutigen Streifen, als hätte Chimera die Krallen in sie geschlagen und abwärts gezogen, um sie in kürzester Zeit möglichst schlimm zu verwunden. Aber sie bewegte sich noch, war noch am Leben.
     
    Micah war der Länge nach aufgeplatzt wie eine reife Frucht, die ihr saftiges Inneres enthüllt. Ich blickte auf Dinge, die nicht dazu bestimmt waren, das Tageslicht zu sehen. Er krümmte sich und zerrte an den Ketten.
     
    Ich kreischte, und meine Panik öffnete mich und verband mich wieder mit Richard. Er lag am Boden, dem Tode nah. Aber noch deutlicher als das spürte ich, dass seine Selbstaufgabe den Wölfen die Kraft raubte. Er war ihr Ulfric, ihr Herz und ihr Kopf, und sein Wille war schwach, und das machte sie schwach. Ihre Gegner dagegen kämpften für jemanden, an den sie glaubten oder den sie liebten. Die Wölfe empfanden nur noch Richards Willen zu sterben.
     
    Und im selben Moment wurde mir klar, dass nicht nur Jean-Claude und ich ihm in den Tod folgen würden, sondern alle Wölfe. Mit Zekes und Bacchus' Plan musste etwas fürchterlich schiefgegangen
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