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An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

Titel: An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)
Autoren: Isabel Beto
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würden, mit netter Konversation die Zeit zu vertreiben, mangelte es also nicht. Die Seeleute hingegen warfen die üblichen Zoten und ihr ¡venga, venga! hin und her, während sie Säcke und Kisten die Niedergänge hinunterschleppten, in die Wanten stiegen, um die Takelage zu prüfen, und, an Strickleitern hängend, letzte Hand an den Rumpf legten. «Jetzt wird es wohl langsam Zeit», seufzte Frau Wellhorn.
    «Wat mutt, dat mutt.»
    «So ist es. Ich hoffe, ich höre von Ihnen. Wollen Sie denn wirklich Ihre Abenteuer niederschreiben? Unter männlichem Pseudonym, wie es ja angeblich einige Frauen tun?»
    «Mal sehen», erwiderte Janna. Lohnen würde es sich gewiss. Das Leben war ein bunter Teller, und ihrer war besonders bunt geraten. Sollte sie es jemals tun und dieses Werk das Licht der Öffentlichkeit erblicken, würde sie Baron von Humboldt ein Exemplar schicken. Was der große Forscher wohl zu den zierlichen Füßen in seinen großen Fußstapfen sagen würde? Sie umarmte Frau Wellhorn und drückte sie so fest an sich, dass der alten Dame ein Schmerzenslaut entwich. Fast wäre Janna herausgerutscht, dass sie ihre Leidensbittermiene vermissen würde, aber sie schaffte es gerade noch, diese Unverfrorenheit herunterzuschlucken.
    «Schon gut.» Frau Wellhorn rückte ihre Schute zurecht.
    «Sind Sie mir böse?» Janna setzte ihren allerunschuldigsten Gesichtsausdruck auf.
    «Warum? Weil Sie mich völlig umsonst in diesen Teil der Welt mitgeschleppt haben?»
    «Umsonst? Nicht doch! Nein, weil ich Sie enttäuschen muss, was die Ehrbarkeit meines Curriculum Vitae betrifft.»
    «Nun ja, was Sie vorhaben, ist ja auch ziemlich hanebüchen, und, Gott sei’s gedankt, habe ich einige Wochen Zeit, mir zu überlegen, wie ich das Ihrer Familie beibringen soll.»
    «Die wird alle nacheinander der Schlag treffen», sagte Janna kläglich.
    «Allerdings. An Ihrer Stelle hätte ich erst einmal die Einladung von den de Uriartes angenommen. Das sind wenigstens ordentliche Leute, wenn auch etwas verschroben. Und Caracas soll ja halbwegs zivilisiert sein. Jedenfalls ein brauchbarer Ort, um ein paar Wochen über Ihren weiteren Weg nachzudenken.» Der Blick des Anstandswauwaus war auf angenehm vertraute Weise pikiert. «Aber es soll ja jeder nach seiner Façon selig werden, wie schon der Alte Fritz sagte.»
    Die Tage hatte Janna ein Brief Verónicas und ihrer Mutter, der Marquesa, erreicht. Das Mädchen war gottlob wieder auf dem Damm, und Janna hätte gerne eine Zeitlang bei ihm in einem schönen Patio gesessen und in Büchern gelesen. Aber das war nicht ihr Weg. Auch nicht der, in Doctor Cañellas’ Praxis auszuhelfen, wie er ihr freundlicherweise angeboten hatte.
    «Sagen Sie meiner Familie bitte, dass ich sie besuchen werde. Ich verspreche es.»
    «Aber dann doch nicht mit ihm ?» Frau Wellhorn, die Hand an ihrer ausladenden Kopfbedeckung, da ein Windstoß gekommen war, sah erst einer in der Luft schaukelnden Möwe nach, dann zu Arturo, der ein paar Schritte entfernt wartete. «Bei Gott! Das möchte ich nicht erleben müssen.»
    Janna prustete. Der Gedanke, Arturo würde eines Tages in bauschigen Kniehosen, mit zerschlissenem Hemd, langen, so wie jetzt wieder zu schmalen Zöpfen geflochtenen Haaren und womöglich einem Säbel und zwei Messern an der Hüfte durch die Zimmer der elterlichen Villa schreiten, war hinreißend. Gisela würde augenblicklich in Ohnmacht fallen. Friedhelm ihm versonnen hinterherstarren. Den Vater noch einmal der Schlag treffen. Die Vorstellung eines Arturos in den Kleidern eines Gentlemans war jedoch gänzlich zum Scheitern verurteilt.
    Dank des Erlöses für das Inka-Schmuckstück hatte Frau Wellhorn für einige Tage in einem anständigen Zimmer in Doctor Cañellas’ Nachbarschaft unterkommen können. Daher war sie Arturo kaum begegnet. Heute jedoch war sie nicht darum herumgekommen, ihn in ihre Nähe zu lassen, denn er hatte ihren schweren Koffer zum Hafen getragen. Die ganze Zeit hatte sie ihn angesehen, als könne er sich doch noch als mordlüsterner Kannibale erweisen. Sehnsüchtig starrte sie auf ihren Koffer, der neben ihm stand.
    «Ich …», sie hüstelte in ihren Handrücken. «Ich denke, ich würde jetzt gerne an Bord gehen, Herr …»
    Tief einatmend ging sie auf ihn zu und streckte sich nach ihrem Koffer. Arturo ergriff ihre Hand und drückte sie fest.
    «¡Hasta la vista!»
    Sie schluckte. «Ich … hoffe … nicht so bald», murmelte sie, entriss sich ihm und wollte erneut mit langem Arm nach
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