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An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

Titel: An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)
Autoren: Isabel Beto
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gehorchen würde, wäre sie nicht hier. Er war in einem Rausch; seine Brust pumpte wie erregt die rauchgeschwängerte Luft in seine Lungen. So musste es gewesen sein, als er damals seinen und Ángels Peinigern den Garaus gemacht hatte. Mit eigenartig abgehackten Bewegungen zog er die fremde Pistole, die er sich in den Bund seiner Kniehosen gesteckt hatte, und ließ sie fallen. Auch den leeren Karabiner.
    Flüchtig sah sie um sich und meinte vier Leichen zu zählen. Leergeschossene Gewehre, die aufgepflanzten Bajonette blutig, lagen verstreut. Hinter einer langen Flagge Spaniens, welche die Soldaten an die Balustrade des Obergeschosses gebunden hatten, kam eine zweite Gestalt hervor. Himmel, wie viele von denen gab es noch? Janna wartete, dass noch weitere kämen, aber es blieb bei diesen beiden, in deren geweiteten Augen der Schrecken sowie die Entschlossenheit standen, jeden mit sich in den Tod zu reißen.
    Der andere ging an seinem Kameraden vorbei und griff nach ihr. Arturos Finger bewegten sich, doch er hielt still, als der Mann sie hochzerrte und hinter sich stieß. Auf allen Vieren kauernd, sah sie Reinmar dort stehen, wo sie eben noch gekniet hatte. Der Spanier zielte mit seiner Pistole auf ihn.
    «Töten Sie nicht mich.» Reinmar deutete auf Arturo. « Das ist doch der Mann, der auf La Fidelidad hingerichtet werden sollte; seinetwegen hat Bolívar die Festung erobert. Seinetwegen haben Sie jetzt dieses Problem!»
    Janna glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. Er forderte den Spanier auf, Arturo zu erschießen! Der Soldat ließ jedoch nicht ab, mit dem Lauf, der zusehends zitterte, nacheinander auf beide Männer zu zielen. Der andere raunte ihm etwas zu. Doch eingreifen wollte er nicht; offenbar war alles, was hier herumlag, nicht mehr geladen.
    Reinmar machte einen Schritt zurück ins Teezimmer; Janna sah nur noch seinen Schatten auf der Schwelle. Jäh stürzte er wieder hervor, das Gewehr des Toten im Anschlag. Ihr gellender Schrei ging unter im Knall des Schusses; das Mündungsfeuer erhellte die Halle. Er ließ für eine Sekunde ein Bild aufblitzen: Arturo im strömenden Regen, im Wasser; er hielt sie, rettete sie vor dem Ertrinken. Sie hätte ihr Leben lassen sollen in jener Nacht. Dann müsste er jetzt nicht seines verlieren.
    Doch Reinmar hatte ihn verfehlt. Janna schrie ein zweites Mal, als sich Arturo nach seinem fallen gelassenen Karabiner bückte und ihn hochriss. Wie Schwerterklingen schlugen die Läufe aneinander. Zugleich schoss der Spanier. Arturo zuckte. Eine blutige Kerbe zog sich quer über seinen Arm, wo eben noch keine gewesen war. Fast im gleichen Augenblick schlug der Lauf des Gewehrs, von Reinmar geschwungen, gegen seinen Kopf. Arturo entglitt der Karabiner. Er sackte nieder und blieb regungslos liegen.
    Reinmar baute sich schwer atmend über ihm auf und zielte mit der Spitze des Bajonetts auf Arturos geschlossene Augen.
    Nein, das kann nicht sein , dachte Janna. Ihr Körper, ihre Gedanken flatterten wie wild. Es ist wie damals. Wie er es erzählt hat. Genau so.
    «Lass ihn in Ruhe!» Sie sprang auf, wollte zu Arturo laufen, doch der zweite Soldat stieß sie zurück.
    «Janna!», schrie Reinmar. Die Spitze berührte ein Lid. «Siehst du das? Siehst du, an wessen Seite du gehörst?»
    Nein. Nicht wieder. Nicht wieder!
    Im Fallen spürte sie, dass ihr etwas zu entgleiten drohte. Die Dose mit der Schwefelsäure; sie hielt sie immer noch in der Hand. Bis auf einen Rest war alles herausgeschwappt. Auch das Tunkhölzchen hatte sie noch. Sie steckte es in die ölige Säure und zog es mit einer schnellen Bewegung heraus. Sofort entzündete es sich mit einem Zischen. Funken bissen in ihre Haut.
    Sie hielt es an den ausgefransten Saum der Flagge. «Lass ihn in Ruhe, Reinmar, oder ich fackele La Jirara ab.»
    Um eine Winzigkeit lockerte er den Druck. «Das wagst du nicht.»
    Sie war entschlossen, es zu wagen, und das sollte er sehen. Doch der dicht und fest gewebte Stoff wollte nicht Feuer fangen. Stattdessen brannte das Hölzchen munter sich selbst ab, und sie musste es fallen lassen.
    ¡Carajo! Sie kroch an dem Soldaten vorbei, der sich jetzt nicht mehr um sie scherte, zu Arturo, griff in die blutige Bajonettklinge und schob sie zurück. Sie umfasste Arturos Gesicht. «Du kannst tun, was du willst, Reinmar … Ich liebe ihn und nicht dich, das ist so. Wenn du das nicht ertragen kannst, dann musst du das Bajonett auch in mein Gesicht stoßen.»
    Endlich, endlich, im drängendsten Augenblick, da um
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