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An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

Titel: An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)
Autoren: Isabel Beto
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lackierte Döschen, das kannte sie doch? Fauliger Schwefelgeruch stach in ihre Nase, als sie es öffnete. Und dort lag ein einsames Tunkhölzchen. Sie raffte beides auf und wandte sich der Tür zu.
    «Bei Gott, Fräulein Janna, was haben Sie vor?»
    «Doña Janna, nicht!»
    «Janna, bist du wahnsinnig?» Reinmar umschloss ihr Handgelenk. «Bis wir durch eine brennende Tür hinauskommen, sind wir alle erstickt!»
    « Du bist wahnsinnig, weil du nichts tust», fauchte sie. Zugleich dämmerte ihr, dass er recht hatte. Mit dem Kopf durch die Wand zu wollen war keine Lösung.
    Täuschte sie sich, oder knackte das Schloss? Die Tür öffnete sich um eine Handbreit. Janna schwindelte vor Schreck. Was kam jetzt? Mattes Zwielicht schimmerte in der Halle; die schnelle Tropendämmerung war angebrochen. Draußen – Keuchen, der Schlag einer Faust. Dann ein Geräusch, wie wenn ein Messer in Fleisch drang.
    Arturo …?
    Janna schrie sich zu: Geh hin! Sieh nach! Sie schaffte einen Schritt. Reinmars Griff um ihre Hand wurde fester. Ihr Herz schlug so heftig gegen ihre Kehle, dass sie zu ersticken meinte. Als die Tür zurückschwang, glaubte sie sich dem Tod nah. Gott, lass es Arturo sein.
    Ein spanischer Soldat stand vor der Tür, das Gewehr noch gesenkt, doch schussbereit. Er machte drei langsame Schritte ins Innere. Mordlust stand in seinem Gesicht. Reinmar fluchte leise, und was die anderen taten, entzog sich Janna. Plötzlich war sie ganz ruhig. Alle Gedanken flohen. Lediglich eine Hand zu umfassen täte ihr jetzt wohl. So musste sie einsam sterben. Sie straffte sich.
    Ein Blutstropfen quoll aus dem Mundwinkel des Mannes, rann langsam das bartstoppelige Kinn hinab und fiel auf das weiße Bandelier. Sein Blick brach. Der Karabiner entglitt seinen erschlaffenden Händen und schlug hart auf dem Boden auf. Ihm gaben die Knie nach. Eigenartig langsam sank er nieder. Hinter ihm stand Arturo. Auch er hatte ein Gewehr; er hielt es mit beiden Händen, ruckte es vor, als gäbe er dem Mann einen Stoß, und drehte es. Ein Stöhnen, so verhalten wie triumphal, entglitt seiner Kehle.
    Der Länge nach fiel der Soldat ins Teezimmer.
    Arturo hob das Gewehr mit dem blutigen Bajonett und machte wieder einen langen Schritt hinaus. Er griff nach der Tür, wollte sie zuwerfen.
    Sie sog seinen rettenden Anblick auf. Suchte seinen Blick, doch der war kalt, als nähme er sie nicht recht wahr. Gut, kämpfe, ich bete derweil , dachte sie. Ich bete . Dann sah sie doch ein Erkennen. Und atmete erleichtert auf.
    Sie staunte, dass Blut so schnell fließen konnte; es breitete sich wie der rote Schatten eines Tieres auf dem Rücken des Mannes aus. In einem Winkel ihres Kopfes ahnte sie, dass es mehr als töricht wäre, jetzt hinauszustürmen. Dem Drang, fort von diesem blutigen Leib zu ihren Füßen zu laufen, hin zu Arturo, durfte sie nicht nachgeben. Keinesfalls. Sie war wie in einem Eiswind erstarrt. Es war Lucila, die aufschluchzte und an ihr vorbeidrängte, einen riesigen Schritt über den Toten machte, wobei sich ihr Kleidsaum mit seinem Blut vollsaugte, und nach draußen lief, vorbei auch an Arturo, der vergebens eine Hand von der Waffe nahm, um nach ihr zu greifen.
    Ein Schuss dröhnte, dann schlug sie polternd der Länge nach hin.
    Gott im Himmel, nein!
    Arturo konnte die Tür nicht mehr schließen; der Körper des Mädchens war im Weg. Janna stürzte über den Toten hinweg auf die Schwelle und fiel vor Lucila auf die Knie. Den mittlerweile vertrauten Geruch des Pulverdampfs nahm sie kaum wahr. Es war erschreckend, wie schnell sich die Züge eines Menschen ändern konnten, aus dem das Leben gewichen war. Die Geierfeder war auf ihr Gesicht gefallen. Janna nahm sie herunter. Ein schmerzhafter Druck ballte sich hinter ihren Lidern. Doch zu weinen vermochte sie jetzt nicht. Es war alles zu viel für sie; das Pfeifen kam zurück, und die Konturen Arturos, zu dem sie verzweifelt aufsah, schienen zu flirren. Und doch nahm sie Einzelheiten mit erstaunlicher Klarheit wahr: die Blutschlieren auf seiner Kniehose, die feinen Spritzer auf seinem nackten Oberkörper. Eine feuchte Haarsträhne, die auf seiner Schulter auflag. Das Wegblinzeln des Schweißes aus seinen umschatteten Augen.
    Dann sah sie einen Soldaten.
    Er musste auf Lucila geschossen haben, denn er warf sein Gewehr weg; in seiner anderen Hand hielt er eine Pistole. Der kurze Lauf zuckte zwischen ihr und Arturo hin und her.
    «Waffen weg!»
    Janna war sich sicher, dass Arturo diesem Befehl niemals
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