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An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

Titel: An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)
Autoren: Isabel Beto
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dem Koffer schnappen. Arturo trug ihn mit dem unverletzten Arm zur Laufplanke, wo ihn ein Matrose übernahm und aufs Schiff brachte. Wackligen Schrittes folgte sie ihm, und kaum stand sie an Deck, klammerte sie sich an die Reling, als herrsche bereits schlimmer Seegang. Janna hoffte für sie, dass sie die Erinnerung an das schreckliche Ende der Herfahrt und auch die Seekrankheit nicht zu sehr peinigen würde.
    Geduldig wartete Arturo an ihrer Seite, bis das Schiff abgelegt hatte. Sie winkte Frau Wellhorn mit einem Taschentuch, das sie aus ihrem Réticule geholt hatte. «Sie ist ein bisschen friedlicher geworden in der ganzen Zeit», meinte sie. «Früher hätte sie dir die Augen ausgekratzt.»
    Kopfschüttelnd wandte er sich ab und der brodelnden Hafenstraße zu. «Warte», Janna kramte in ihrem Handtäschchen, denn sie hatte eine Panaderia gesehen. «Ich habe entsetzliche Lust auf etwas Süßes. Du auch?»
    Längst konnte sie sein Schweigen deuten. Es war ein Nein. Rasch kaufte sie sich in der Bäckerei ein dickes Gebäckstück und biss hinein. Köstlicher Ananasgeschmack kroch in alle Winkel ihres Mundes. Das hatte sie gebraucht, aber sie musste mit dem Geld sparsam sein. Doctor Cañellas hatte Arturo einen kleinen Kredit für ein Boot gegeben. Aber dass sie beide eines Tages Eldorado fanden, um ihn zurückzahlen zu können – nun, das war wohl mehr als fraglich. Wie und wann sich diese Schuld anders begleichen ließ, würde sich finden.
    «Weißt du, worauf ich mich freue?», fragte sie, als sie an seiner Seite Richtung Stadt hinaufschlenderte. Oben hörte sie die Glocken von Nuestra Señora de las Nieves.
    «Sag schon.»
    «Schildkröteneier. Rohe!»
    Diesmal sagte sein Schweigen: Ja, ich auch .
    «Weißt du noch, wie du mir gebratene Eidechse am Spieß gereicht hast?»
    «Ja.»
    «Übrigens, habe ich dir jemals erzählt, dass das Schiff, mit dem Alexander von Humboldt hierherkam, Pizarro hieß? So wie dein alter Freund, der Leguan?»
    «Natürlich, Mädchen, natürlich …»
    ***
    Sie waren in der Nacht gekommen. Vier Desperados. Seine Pferde hatten sie nicht interessiert. Auch Geld hatten sie nicht gefordert. Einer der Männer hielt ihm etwas hin. Ängstlich zuckte er zusammen. Doch es war nur sein eigenes Halstuch. Seine zittrigen Finger griffen danach und pressten es gegen die blutende Nase.
    Er saß an seinem Schreibtisch. Hierher war er vor den Männern geflüchtet, nachdem er – nutzlos – seine Büchse leergeschossen hatte. Als könne ein Federkiel oder das Tintenfass ihm helfen. Oder der teure Argandbrenner, dessen Glaszylinder in Scherben am Boden lag. Er hustete, spuckte Blut und einen abgebrochenen Zahn.
    «So, noch einmal, hacendado .» Hinter ihm schritt der Anführer der Bande auf und ab. Ihren knappen Gesprächen hatte Reinmar entnommen, dass sie Kopfgeldjäger waren. Und dass der Preis für Arturos Kopf mehr als beachtlich war. Beinahe ein kleines Vermögen. «Wo ist der Mann, den wir suchen? Arturo. Oder Aryqeatuaro, falls Ihnen dieser Name mehr sagt.»
    Ary… wie? Den hatte Reinmar noch nie gehört. Aber es war nicht verwunderlich, dass dieser Pardo einen indianisch klingenden Namen besaß. «Ich muss nachdenken», murmelte er. Seine Nase war verstopft; seine Stimme klang gepresst. «Da drüben, die Flasche … Bitte.»
    «Ah. Old Tom.»
    Der Mann knallte sie vor ihm auf die Platte des Sekretärs. Reinmar entstöpselte sie und nahm einen Schluck. Der Alkohol linderte den Schmerz. «Arturo, ja. Ich weiß, wer er ist, meine Herren.» Es fühlte sich gut an, den Rücken wieder zu straffen.
    «Und Sie wissen auch, wo er ist.» Um seinem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen, drückte ihm der Desperado den Lauf seiner Pistole unters Kinn, sodass er den Kopf in den Nacken legen musste.
    Ja, er wusste es. Nicht nur um den Brief ihrer Familie hatte Janna ihn gebeten. Auch um das abgewetzte, in vielen bunten Farben gewebte Indiokleid, das sie von ihrer Reise mitgebracht hatte – sie hatte es auf ihrem Rundgang durch das Haus nicht mehr gefunden. Irgendwann war es ihm in die Hände gefallen, und er hatte es in einer Kleidertruhe verwahrt. Was war dieses Kleid anderes als der Beweis, dass sie zurück in die Wildnis wollte? Zurück in die Mission des heiligen Vinzenz von Saragossa? Er sah noch ihre leuchtenden Augen, wenn sie von diesem Ort erzählt hatte, als sei er der Garten Eden. Sie wollte ihr Eldorado dort finden. Mit dem Mann, der jetzt an ihrer Seite war, war ein anderes Ziel kaum
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