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Amputiert

Amputiert

Titel: Amputiert
Autoren: Gord Rollo
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Leben, das zu einer endlosen Reihe von Tests und medizinischen Untersuchungen wurde. Jeder Arzt, Wissenschaftler und Regierungsbeamte im Land würde um das Recht wetteifern, mich als seine persönliche, übergroße Laborratte zu halten. Und es würde so kommen – diesmal war ich nicht bloß paranoid. Nathan Marshall war ein brillanter Mann gewesen, und sein Erfolg bei mir stellte einen riesigen Sprung nach vorn in der Nervenregenerations- und Transplantationsforschung dar. Mich in die Finger zu bekommen, wäre für die Wissenschaft so, als hätte jemand den Gebrüdern Wright ein Spaceshuttle zur Verfügung gestellt. Sie würden nicht aufhören, Tests durchzuführen, mich zu scannen, zu befragen, zu untersuchen, an mir zu zupfen und zu ziehen, an jedem Zoll meines Körpers und meines Verstands, bis sie alle von Dr. Marshalls Geheimnissen gelüftet hätten. Eben jene Geheimnisse, die ich zusammen mit diesem Ort zu zerstören gelobt hatte.
    Verdammter Mist!
    Was hatte ich getan? Ich hatte doch tatsächlich gedacht, ich wäre derjenige, der zuletzt lachte, der Penner, der allen Unbilden getrotzt, den verrückten Wissenschaftler besiegt und dessen Forschungen für immer zerstört hatte. Erst jetzt wurde mir klar, dass ich im Gebäude bleiben und mit allem anderen in Rauch aufgehen hätte sollen.
    Kurz spielte ich mit dem Gedanken, zu verschwinden, bevor jemand auftauchte, um der Ursache der Explosionen auf den Grund zu gehen. Niemand wusste, dass ich hier war, ich brauchte also nur still und heimlich das Weite zu suchen und nie jemandem ein Wort zu erzählen. Menschen, die mich sähen, würden angesichts meiner Narben zusammenzucken, aber bei den Leuten, mit denen ich für gewöhnlich herumhing, würde das keine große Rolle spielen. Blue J würde immer noch mein Freund sein, ganz gleich, wie hässlich ich war.
    Es war ein schöner Traum, doch ich wusste, dass es nicht sein konnte. Zum einen würde mich letztlich jemand verpfeifen, zum anderen würde jemand kommen, um den geheimnisvollen Berichten über das obdachlose Frankensteinmonster nachzugehen. Selbst wenn das nicht geschähe, selbst wenn man mich in Ruhe ließe, brauchte ich immer noch verschiedene abstoßungsverhindernde Medikamente, um zu unterbinden, dass mein Körper die fremden Teile angriff. Es handelte sich um teure Pharmazeutika, zu denen ich nie und nimmer Zugang hätte. Ohne sie würde das Immunsystem meines Körpers in Windeseile den Kriegszustand ausrufen. Wenn ich zurückkehrte, um wieder bei Blue J und Puckman zu leben, würde ich innerhalb weniger Wochen krank werden und vor Weihnachten tot sein.
    Bleiben oder abhauen? So oder so, ich war im Arsch.
    Ich hatte keine Ahnung, was ich tun sollte. Keine Ahnung, was ich tun konnte . Dann hörte ich aus weiter Ferne im Wald ein Geräusch. Ein vertrautes Geräusch, das mir ein Lächeln aufs Gesicht zauberte und die nagenden Fragen aus meinen Gedanken löschte. Ich erhob mich auf die Füße und wusste schlagartig, was ich zu tun hatte. Ich wandte mich von dem qualmenden Chaos ab, das ich angerichtet hatte, und begann, in den Wald zu humpeln. Ich vernahm das Geräusch erneut, diesmal näher.
    Das einsame Geräusch einer sich nähernden Zugpfeife.

TEIL FÜNF
    Das Ende

Kapitel 42
    Der Kreislauf schließt sich.
    Aus offensichtlichen Gründen gingen mir diese Worte unablässig im Kopf herum, und ich konnte sie nicht abschütteln. Die Vorstellung, dass die Dinge immer dorthin zurückkehrten, wo sie angefangen hatten, erschien mir an sich völliger Blödsinn zu sein, doch es ließ sich nicht bestreiten, dass es auf mich zutraf. Immerhin hatte ich auch eine tadellos funktionierende Pistole, die mit einer Betätigung des Abzugs den Job genauso gut erledigen würde, wenn ich mich schon umbringen wollte. Es bestand kein Grund für mich, meinen geschundenen, schmerzenden Körper an einem saukalten Tag durch den Wald zu schleppen, um dasselbe Ziel auf einer Eisenbahnstrecke zu erreichen, die ich vielleicht nie finden würde, geschweige denn, bevor der Zug an mir vorbeigefahren wäre.
    Aber etwas in mir wollte es versuchen.
    Sich Drakes Pistole in den Mund zu stecken, wäre schneller, einfacher und weit sauberer, doch das war ein Teil des Grundes, weshalb ich mein jämmerliches Leben nicht auf diese Weise beenden wollte. Die Kugel würde meinen Schädel zerstören und meine Seele auf die Reise schicken – sofern ich noch eine Seele besaß. Aber sie würde den Wissenschaftlern meinen Körper intakt hinterlassen, sodass
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