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Amputiert

Amputiert

Titel: Amputiert
Autoren: Gord Rollo
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Ein gewaltiger Donnerschlag fuhr aus scheinbar einem Meter Entfernung in meine Ohren. Ich hatte Glück, dass mich noch der Großteil des Feldes von dem Gebäude trennte, sonst wäre ich Geschichte gewesen. In der einen Sekunde war Andrews Zimmer noch da, in der nächsten verschwunden; dann verdunkelte sich der Himmel, und Ziegelbrocken hagelten herab. Vermutlich auch der eine oder andere Brocken von Andrew und ein, zwei Wachleuten, aber ich versuchte, nicht daran zu denken. Ich warf mich zu Boden, rollte mich auf dem Gras ein und schützte mit den Armen meinen Kopf.
    Sekunden später folgte eine gewaltige Explosion im dritten Stock, sofort darauf setzte eine Reihe sich überlappender Minidetonationen im gesamten Gebäude ein. Als der Keller an der Reihe war, schien es, dass die gesamte Gebäudestruktur – samt Fundament – einen Meter in die Luft gehoben wurde, als sich die hoch erhitzten Gase ausbreiteten und auf dieselbe Weise nach oben drückten, wie es bei Vulkanausbrüchen der Fall ist. Aus dem Keller strömte zwar keine Lava, aber es wüteten Brände, und es strömte der dichteste, schwärzeste Rauch heraus, den ich je gesehen hatte, und verhüllte die letzten Explosionen, die Nathan Marshalls Forschungseinrichtung in Stücke rissen.
    Ich sah zwar nicht, wie die Burg zurück auf die Erde stürzte, aber ich hörte es. Aus dem wallenden Rauch drang ein unvorstellbares Grollen, dann setzte eine Salve von ruckartigen Knallen ein, die den Boden unter mir wie bei einem Erdbeben erschütterten. Ich hatte den Kopf unter den Armen vergraben, die Augen fest geschlossen und betete, dass nichts von den Tausenden Pfund Beton, Ziegelwerk, Stahl, Verputz und Glas, die himmelwärts geschleudert wurden, auf mir landen und mich in meinem Augenblick des Triumphs erschlagen würden.
    Ich behielt die Augen lange geschlossen, während rings um mich Trümmer einschlugen. Nichts berührte mich. Rein gar nichts. Als ich die Lider öffnete, kräuselte sich der Rauch dort, wo sich das Gebäude befunden hatte, so dicht, dass ich nicht zu sagen vermochte, wie viel Schaden angerichtet worden war. Hatte ich das gesamte Bauwerk zum Einsturz gebracht oder stand es aus irgendeinem Grund immer noch unversehrt da? So schwarz und beißend, wie der Rauch war, musste es der Ölvorrat sein, der brannte. Wenn dem so war, würde das Feuer noch eine Weile wüten. Ich setzte mich auf und wartete.
    Nach einer großen Explosion wird es entsetzlich still. Zu still. Nachdem sich das Feuer und der Rauch ein wenig gelegt hatten, konnte ich erkennen, dass sich meine Hoffnungen erfüllt hatten – von der Burg war nur noch ein gewaltiges Loch im Boden übrig. Ich hätte ekstatisch sein sollen, aber ehrlich, ich fühlte mich vorwiegend leer. Alle, auf die ich meinen Hass, meine Angst und meine Wut so lange gebündelt hatte, waren tot. Dr. Marshall, Drake, das Sicherheitsteam, die grausamen Ärzte, Krankenschwestern und Krankenpfleger, die das Pech hatten, heute hier Dienst zu versehen – alle waren der Zerstörung zum Opfer gefallen, die gerade geendet hatte. Ich fühlte mich wie der einzige Überlebende eines verheerenden Flugzeugabsturzes, während ich inmitten der Trümmer saß, die sich über einen Radius von einhundert Meter verteilten. Es war schaurig unter all den verkohlten Teilen der Toten, deshalb versuchte ich, über mich und darüber nachzudenken, was ich als Nächstes tun sollte, um meinen Verstand auf etwas anderes zu konzentrieren.
    Keine gute Idee.
    Die Gedanken an die Menschen, die hier soeben in Stücke gefetzt worden waren, ließen mich unwillkürlich über meinen eigenen neuen Körper und darüber nachdenken, dass auch er aus Teilen von Toten bestand. Von da an wurde das, was mir durch den Kopf ging, nur immer dunkler, und ich überlegte, wohin ich jetzt gehen sollte. Wo würde ein Freak wie ich hinpassen? Und würde man mir überhaupt eine Wahl lassen? Wenn die Behörden letztlich aufkreuzten, würde es nicht lange dauern, bis ihnen klar wurde, dass ich nicht bloß ein unschuldiger Augenzeuge war. Ein Blick auf meinen Körper von einem Polizisten oder einem Sanitäter, und die Katze wäre aus dem Sack. Bald würde man mich – natürlich zu meinem eigenen Schutz – in ein Krankenhauszimmer verfrachten, wo man an mir herumdoktern würde. So lange, bis jemand, der mehr zu sagen hatte, Wind von mir bekäme, der dann seine eigenen Leute schicken würde, um noch gründlicher an mir herumzudoktern.
    Ich hatte eine trostlose Vision von meinem
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