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Amputiert

Amputiert

Titel: Amputiert
Autoren: Gord Rollo
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Ich war zu ramponiert und erschöpft für einen weiteren Kampf.
    Dann knall ihn einfach ab , schlug mir mein Gewissen vor, doch ich verwarf den Gedanken. Einerseits wäre es feige gewesen – womit ich kein Problem gehabt hätte –, aber andererseits konnte ich nicht riskieren, dass Drakes Sicherheitsteam den Schuss hörte. Nein, die Pistole kam nicht infrage, womit mir nur zwei Möglichkeiten blieben. Drakes Messer war klebrig und von seinem Blut buchstäblich rot bemalt. Dasselbe galt für Junies Klinge, mit der ich Jackson getötet hatte. Ich hatte wirklich keine Lust, eine der beiden Waffen noch einmal anzufassen, aber das musste ich, also entschied ich mich für Drakes Messer. Bei dem von Junie würde ich den Knopf für die Klinge drücken müssen, und ich war ziemlich sicher, dass Dr. Marshall im beengten Treppenhaus hören würde, wie die Klinge heraussprang. Vielleicht auch nicht, aber es schien mir das Risiko nicht wert zu sein.
    Ich legte die Pistole auf die oberste Stufe, nahm das Messer in die rechte Hand und begann, so leise wie möglich auf Dr. Marshalls ungeschützten Rücken zuzuschleichen. Ich schaffte nur fünf Schritte, bevor er sich umdrehte mich erblickte. Mich hatte kein Geräusch verraten – sondern Andrew. Er hatte in meine Richtung geschaut, als ich mich aus dem Treppenhaus löste, und ... sagen wir einfach, an seinem Pokergesicht musste er noch arbeiten. Andrews Augen weiteten sich jäh, und er starrte mich an, bis sich sein Vater umdrehte, um zu sehen, was ihn ablenkte.
    Vielen Dank auch, Andrew. Genau die Hilfe, die ich brauchen konnte.
    Als Dr. Marshall mich erblickte, wirkte er nicht annähernd so erschrocken wie sein Sohn. Tatsächlich schien er sich zu freuen und setzte sein breites, vollkommen irres Grinsen auf, das mir eine Heidenangst einjagte. Allerdings war Angst im Moment keine Option, also schlug ich alle Vorsicht in den Wind und stürmte in einem wilden Angriff auf Dr. Marshall los, bevor er die Chance hatte, sich zu verteidigen. Ich glaube, meine Kühnheit überraschte ihn, denn sein Lächeln verblasste, als ich rasch den Abstand zwischen uns verringerte, das blutige Messer vor mich gestreckt wie ein mittelalterlicher Ritter eine Lanze.
    Dr. Marshall wirbelte herum, hielt Ausschau nach einer Waffe, doch es befand sich nichts in Griffweite. Ich hätte ihn schnell und problemlos ausgeschaltet ... wenn mein linkes Knie noch ein paar Schritte gehalten hätte. Doch als der Sieg und meine Rache nur noch anderthalb Meter entfernt waren, ließ es mich im Stich, und ich fiel mit dem Gesicht voraus zu Dr. Marshalls Füßen auf den Teppich. Ich landete hart; Sterne tanzten vor meinen Augen, als mein Kinn vom Boden zurückprallte. Auch mein Knie pochte grässlich, aber ich hatte schlimmere Probleme als Schmerzen. Ich musste sie abschütteln und mich auf die Beine rappeln – und zwar schnell.
    Dr. Marshall hatte andere Vorstellungen.
    Während ich ausgestreckt auf dem Boden lag, trat er mir auf die Hand und drehte brutal den Absatz, bis ich schreiend das Messer losließ. Er kickte die Klinge unter das ordentlich gemachte Bett zu unserer Linken. Dann begann er, mir gegen die Rippen, Arme und Beine zu treten, überallhin, wo er mich treffen konnte, und zwar ziemlich heftig. Ich rollte mich ein und versuchte, meinen Kopf zu schützen.
    Mir war klar, dass ich höchstens getötet würde, wenn ich in der Defensive bliebe, also streckte ich mich, stürzte mich auf seine Beine, packte sie und brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Er stürzte zu Boden und landete mit einem befriedigenden, dumpfen Knall, allerdings brachte es ihn nicht ins Stocken. Sofort war er wieder auf mir und hämmerte mit den Fäusten auf meinen Kopf und meine Brust ein. Ich landete selbst ein paar gute Treffer, aber er war stärker als ich und drückte mich zu Boden. Durch die Prügel, die ich bezog, dachte ich nicht besonders klar, dennoch wusste ich, dass ich an eine meiner anderen Waffen herankommen musste, wenn ich diesen Kampf gewinnen wollte. Das Dumme war nur, die Pistole lag auf der obersten Treppenstufe und fiel somit flach. Das Klappmesser steckte in Reichweite in meiner rechten Hosentasche, doch da Dr. Marshall rittlings auf mir hockte, konnte ich es unmöglich erreichen.
    Dr. Marshall schlug mir erneut ins Gesicht, brach mir die Nase und ließ mich damit um ein Haar das Bewusstsein verlieren. Es schmerzte nicht allzu schlimm, aber als sich die Schleier vor meinen Augen lichteten, hatte er bereits seine langen,
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