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Amelia Peabody 04: Im Tal der Sphinx

Titel: Amelia Peabody 04: Im Tal der Sphinx
Autoren: Elizabeth Peters
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geduldiger Mensch bin.
    Der Rest der Geschichte sollte Ihnen jetzt klar sein. Ronald wurde meine wirkliche Identität nie gewahr. In meiner Rolle als Graf Everly ermutigte ich ihn, sich meiner kleinen Gruppe anzuschließen, weil ich den Burschen beobachten wollte. Ich wußte natürlich, daß Miss Debenham bei Ihnen Zuflucht gesucht hatte, ebenso wie mir klar war, daß Sie Donald Fraser unter Ihre Fittiche genommen hatten. Das überraschte mich nicht, da es Ihre Angewohnheit ist, jede unschuldige und unglückselige Kreatur aufzunehmen, die Ihnen über den Weg läuft – wenn es sein muß, sogar mit Gewalt.«
    »Es ist die Pflicht eines jeden Christen, den Unglücklichen zu helfen.«
    »Entsprechendes gilt auch für Moslems. Merkwürdig, wie die sogenannten Weltreligionen sich unisono auf die gleichen schwachen Tugenden berufen. Schon die alten Ägypter brüsteten sich damit, daß sie den Hungrigen Nahrung und den Frierenden Kleidung gegeben hätten.«
    »Das ist eine großartige und allgemeingültige Tatsache«, entgegnete ich. »Was Sie als Schwäche ansehen, ist die Eigenschaft, die uns mit dem Göttlichen auf eine Stufe stellt. Und die größte dieser Tugenden ist die Liebe. Oder«, fügte ich hastig hinzu, »wie es auch manchmal umschrieben wird, die Barmherzigkeit.«
    »Eine törichte, fadenscheinige Umschreibung«, sagte Sethos sanft. Sein Blick hypnotisierte mich. Ich hatte das Gefühl, in den samtenen Tiefen seiner Augen zu versinken. Dann senkte er die Lider, und unwillkürlich seufzte ich erleichtert auf. Seine langen Wimpern waren so dicht und geschwungen wie die eines hübschen Mädchens. Ich fragte mich, ob sie überhaupt echt waren.
    »Ich habe innige Gefühle immer vermieden«, fuhr Sethos nachdenklich fort. »Meine Empfindungen für Sie überraschten mich wie ein Unwetter, eine Naturgewalt, gegen die ich wehrlos war. Wenn ich gekonnt hätte, hätte ich Widerstand geleistet. Und jetzt habe ich eine seltsame Vorahnung …«
    »Sie haben sie also auch!« entfuhr es mir.
    Er hob seine Lider. In seinen braunen … seinen grauen … seinen Chamäleonaugen blitzte Heiterkeit auf, doch dann nahmen sie einen schwermütigen Ausdruck an. »Ich sah solche Vorahnungen für gewöhnlich als Instinktreaktionen von Menschen an, die sich in Gefahr wähnen. Aber jetzt frage ich mich, ob es nicht eine höhere Macht gibt, die unsere Geschicke dirigiert. Keine gütige Gottheit – niemand, der die menschliche Grausamkeit beobachtet hat, kann an einen Gott glauben, der solche Scheußlichkeiten zuläßt. Sondern lediglich an ein allgegenwärtiges, unbestimmbares Wesen mit einem widernatürlichen Sinn für Humor! Es wäre doch seltsam, wenn die einzige Schwäche in meinem Leben zu meiner Läuterung führen würde? Ich spüre, daß es so sein kann. Sie könnten mich erlösen, Amelia – nur Sie allein. Stellen Sie sich vor, was ich für diese Welt tun könnte, wenn meine Kräfte dem Guten statt dem Bösen zugewandt wären. Helfen Sie mir, Amelia. Reichen Sie mir Ihre Hand – führen Sie mich aus der Dunkelheit zum Licht …«
    Es war ein aufregender Augenblick. Ich fühlte, daß ich diesen seltsamen, großartigen und gequälten Menschen jetzt endlich verstand. Ich war zutiefst bewegt – nein, fasziniert. Ich öffnete meine Lippen. Meine Brust hob und senkte sich rascher. Meine Handgriff nach …
    Unsere Fingerspitzen hatten sich noch nicht berührt, als wir, vom Lärm gewaltsamen Eindringens aufgeschreckt, hochschnellten. Die Vorhänge blähten sich auf, als die Tür aufgerissen und voller Wucht wieder zugeschlagen wurde. Ich kannte nur einen einzigen Menschen, der eine Tür in dieser Form öffnete! Ich drückte meine Hand vor meinen bebenden Busen.
    Es war Emerson! Ja, leibhaftig! Doch welchen Anblick er darbot! Das Haar stand ihm zu Berge, sein bestes Oberhemd hing in Fetzen. Die zerrissenen Ärmel hatte er achtlos bis zu den Oberarmen hochgeschoben. Sein Gesicht war entstellt von Blutergüssen, und ein Auge war halb zugeschwollen. In seinen beiden Händen, aus deren aufgeschürften Fingerknöcheln Blut trat, hielt er gezückte Säbel. Noch nie in meinem Leben hatte ich einem Schauspiel beigewohnt, das mich mehr bewegte! Ich hatte das Gefühl, daß mein wie wild pochendes Herz meinen Brustkorb sprengte.
    Noch ehe der Vorhang wieder an seinen Platz zurücksank, wirbelte Emerson herum. Mit einem überraschten Aufschrei ließ er einen der Säbel fallen und verriegelte die Tür, durch die sich hinter ihm gerade noch eine
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