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Ambler-Warnung

Ambler-Warnung

Titel: Ambler-Warnung
Autoren: R Ludlum
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gegeben, aber ihr betroffener Blick hatte ihm alles gesagt, was er wissen musste.
    »Ihre Medikamente«, hatte sie am folgenden Morgen fröhlich gesagt und ihm drei Tabletten, die etwas anders aussahen als die üblichen dämpfenden Neuroleptika, auf die Handfläche gelegt. Tylenol, hatte sie dabei nur mit den Lippen gesagt. Die Vorschriften bestimmten, dass er die Tabletten unter ihrer Aufsicht einnehmen und danach den Mund öffnen musste, damit sie überprüfen konnte, dass er sie auch geschluckt hatte. Das tat er, und binnen einer Stunde hatte er den Beweis dafür, dass sie die Wahrheit gesagt hatte. Er fühlte sich leichtfüßiger, auch geistig beweglicher. Innerhalb weniger Tage wurde er wacher, war wieder voller Energie – mehr er selbst. Er musste ganz bewusst weiter den ruhiggestellten Patienten spielen und das ungelenke Compazine-Schlurfen vortäuschen, das die Krankenpfleger von ihm gewöhnt waren.
    Die Psychiatrische Klinik Parrish Island war eine mit modernster Technologie ausgestattete Hochsicherheitseinrichtung. Aber auch die ausgeklügeltste Technik konnte den menschlichen Faktor nicht völlig kontrollieren. Jetzt, da sein Körper sie vor der Überwachungskamera verbarg, steckte sie ihre Schlüsselkarte in den Gummizug seiner weißen Jogginghose.
    »Hab gehört, dass es heute Morgen vielleicht einen Code zwölf gibt«, murmelte sie dabei. Dieser Code bezeichnete einen kritischen Gesundheitszustand, der die Verlegung eines Patienten in ein Krankenhaus auf dem Festland erforderte. Woher sie das wusste, erläuterte Laurel Holland nicht, aber er konnte es sich denken: Wahrscheinlich hatte ein Patient über Brustschmerzen geklagt – oft Vorboten eines Herzanfalls.
Man würde ihn aufmerksam überwachen, weil weitere Anzeichen einer drohenden Arrhythmie die Verlegung auf eine Intensivstation nötig machen würden. Ambler erinnerte sich an einen früheren Code zwölf – ein älterer Patient hatte einen Gehirnschlag erlitten – und rief sich die Sicherheitsmaßnahmen ins Gedächtnis zurück. Auch wenn sie noch so akribisch waren, hatte er doch eine Unregelmäßigkeit entdeckt: eine gewisse Regelwidrigkeit, die er vielleicht für seine Zwecke würde nutzen können.
    »Aufpassen!«, flüsterte sie. »Und bereithalten.«
    Zwei Stunden später – Stunden, die Ambler in schweigender, regloser Starrheit verbrachte – war ein elektronisches Glockensignal zu hören, dann sagte eine synthetische Stimme: Code zwölf, Abteilung zwei Ost. Dies war eine Computerstimme, wie man sie in Shuttlezügen auf Flughäfen und modernisierten U-Bahnen hörte: irritierend angenehm. Die Krankenpfleger sprangen sofort auf. Muss dieser alte Knabe in 2E sein. Sein zweiter Infarkt, stimmt’s? Die meisten von ihnen machten sich auf den Weg in den zweiten Stock. Das Glockensignal und die Durchsage wurden in regelmäßigen Abständen wiederholt.
    Also ein älterer Mann, der einen Infarkt erlitten hatte, das war zu erwarten gewesen. Ambler spürte eine Hand auf seiner Schulter. Das war der stämmige Krankenpfleger, der morgens in sein Zimmer gekommen war.
    »Vorschrift«, sagte der Mann. »In allen Notfallsituationen kehren die Patienten in ihre Zimmer zurück.«
    »Was ist passiert?«, fragte Ambler verständnislos und mit schwerer Zunge.
    »Nichts, was Ihnen Sorgen machen müsste. In Ihrem Zimmer sind Sie sicher und am besten aufgehoben.« Übersetzung: eingesperrt. »Kommen Sie jetzt mit.«

    Lange Minuten später standen die beiden Männer vor Amblers Zelle. Der Krankenpfleger hielt seine Schlüsselkarte an den Kartenleser, eine in Taillenhöhe neben der Tür montierte graue Kunststoffbox, und die Schiebetür glitt zur Seite.
    »Rein mit Ihnen«, sagte der stämmige Bursche aus dem Mittleren Westen.
    »Brauch Hilfe bei ...« Ambler trat über die Schwelle, drehte sich dann nach dem Krankenpfleger um und deutete hilflos auf das Klosett mit dem heruntergeklappten Deckel.
    »Ach, Scheiße«, sagte der Krankenpfleger, wobei seine Nasenlöcher sich angewidert weiteten, doch er folgte Ambler in den Raum.
    Du hast nur einen Versuch. Keine Fehler!
    Als der Krankenpfleger auf ihn zutrat, stand Ambler gebückt und mit leicht gebeugten Knien da, als sei er kurz davor, zusammenzuklappen. Plötzlich schoss er hoch und rammte seinen Kopf unter das Kinn des anderen. Panik und Verwirrung zeichneten sich auf dem Gesicht des Mannes ab, während er den krachenden Rammstoß zu verdauen versuchte: Der schlurfende, halb betäubte Insasse hatte sich
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