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Ambler-Warnung

Ambler-Warnung

Titel: Ambler-Warnung
Autoren: R Ludlum
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zeigte ihm, dass er fürs Gebäudeinventar zuständig war. Das bedeutete, dass er kontrollierte, wie Dinge durch die Lieferanteneingänge herein und hinaus gelangten. An den richtigen Gebäudeausgängen wurde weit schärfer kontrolliert als auf den Korridoren: Sie erforderten die biometrische Signatur eines Berechtigten. Zum Beispiel die des Mannes,
der schlaff vor Amblers Füßen lag. Er ersetzte den Dienstausweis des Krankenpflegers, den er bisher getragen hatte, durch den des Kontrolleurs. Sogar bewusstlos würde der Mann ihm jetzt zur Flucht verhelfen.
    Die Stahltür des westlichen Lieferanteneingangs trug ein weiß-rotes Warnschild mit einer unmissverständlichen Aussage: BENUTZUNG DIESES AUSGANGS DURCH UNBEFUGTE STRENG VERBOTEN; TÜR IST ALARM-GESICHERT. Neben dem Bügelgriff befand sich kein Schlüsselloch, und an der Wand hing kein Kartenleser. Stattdessen war dort ein erheblich schwieriger zu überlistendes Gerät angebracht, dessen einfache Benutzeroberfläche nur aus einer senkrechten Glasplatte und einem Druckknopf bestand. Dies war ein Netzhautscanner, der buchstäblich unfehlbar war. Die vom Sehnerv ausgehenden und in die Netzhaut ausstrahlenden Kapillaren bildeten bei jedem Menschen ein einzigartiges Muster. Im Gegensatz zu Fingerabdrucklesern, die nur sechzig Identifizierungspunkte kontrollierten, überprüften Netzhautscanner viele Hundert Einzelheiten. Daher kamen Fehlidentifizierungen bei Geräten dieser Art praktisch nicht vor.
    Unfehlbar hieß jedoch nicht narrensicher. Hier kommt dein Befugter, dachte Ambler, während er den bewusstlosen Kontrolleur unter den Armen packte, vor den Scanner hievte und ihm mit gespreizten Fingern die Lider öffnete. Als er mit dem Ellbogen den Knopf drückte, blitzte es hinter dem Scannerglas zweimal rot auf. Nach endlos langen Sekunden war das Surren eines Elektromotors zu hören, und die Tür öffnete sich. Ambler ließ den Mann zu Boden fallen, ging durch die Tür und stieg ein paar Betonstufen hinauf.
    Oben stand er in einer Ladebucht auf der Westseite des Gebäudes und atmete erstmals seit Langem wieder ungefilterte
Luft. Der Tag war wolkenverhangen: kalt, nass, trübe. Aber er war draußen. Für Sekunden ergriff ihn ein ausgelassenes, albernes Hochgefühl, das sofort stärkerer Besorgnis wich. Er war in größerer Gefahr als je zuvor. Von Laurel Holland wusste er, dass das Gelände von einem Elektrozaun umgeben war. Er konnte es nur in offizieller Begleitung verlassen – oder indem er selbst einen der offiziellen Begleiter spielte.
    Aus der Ferne brauste ein starkes Motorboot heran, und irgendwo in seiner Nähe war ein anderes Motorengeräusch zu hören. Ein Elektrofahrzeug, das an einen übergroßen Golfkarren erinnerte, surrte zum Südeingang des Gebäudes. Wenig später wurde eine fahrbare Krankentrage an die geöffnete Ladeklappe herangerollt. Der Elektrokarren würde den Infarktpatienten zum Boot bringen.
    Ambler holte tief Luft, ging mit großen Schritten um die Gebäudeecke, rannte zu dem Wagen und schlug mit der flachen Hand an die Fahrertür. Der Mann am Steuer betrachtete ihn leicht misstrauisch.
    Du bist ruhig; du wirkst gelangweilt. Ich tue nur meine Arbeit. »Ich soll den Kerl mit dem Herzanfall bis ins Klinikum begleiten«, sagte Ambler, indem er rechts einstieg. Das bedeutete: Mir gefällt dieser Auftrag nicht besser als dir . »Die Scheißjobs kriegen immer die Neulinge.« Sein Tonfall klang leicht beleidigt, aber zugleich auch entschuldigend. Er verschränkte die Arme vor der Brust, um den Dienstausweis mit dem Foto zu verbergen, denn er sah dem Kontrolleur ganz und gar nicht ähnlich. »Da ist dieser Laden genau wie alle anderen, in denen ich je gearbeitet habe.«
    »Sind Sie in Barlowes Team?«, grunzte der Fahrer.
    Barlowe? »Sie sagen es.«
    »Er ist ein richtiger Scheißkerl, stimmt’s?«
    »Sie sagen es«, wiederholte Ambler.

    An der Anlegestelle grummelten die Männer, die mit dem Schnellboot herübergekommen waren – der Steuermann, ein Sanitäter und ein bewaffneter Wachmann –, als sie hörten, dass jemand aus der Klinik den Patienten begleiten sollte. Traute man ihnen nicht zu, ihre Arbeit ordentlich zu machen? War das die Message? Außerdem, darauf wies der Sanitäter hin, war der Patient bereits tot. Er würde nur ins Leichenhaus geschafft werden müssen. Aber die Kombination aus Amblers Gleichmut und dem Schulterzucken des Fahrers beschwichtigte sie, und bei diesem Wetter wollte niemand länger als nötig im Freien sein.
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