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Ambient 05 - Elvissey

Ambient 05 - Elvissey

Titel: Ambient 05 - Elvissey
Autoren: Jack Womack
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betrogenen Augen vergangener reinkarnierter Liebhaber. Ihr Anblick war nicht weniger schmerzhaft als zu der Zeit, als ich mich zuletzt von ihnen verabschiedet hatte. All die ausgestellten Kinder sahen aus wie Exemplare, die aus jenen ferneren Welten geborgen wurden, die man einst für existent hielt, weit hinter den sichtbaren Sternen, aus einem Eden geraubt, das noch nicht durch das Schleichen von Schlangen befleckt war.
    »Postambient«, erklärte die Holo-Galeristin, deren Bild in der Mitte des Saals schwebte. »Wie der Kubismus aus traditionellem Afro-Stil entstand. Brancusi, zetbe. Die Rekonstruktion des Ursprünglichen, Wiedergeburt wird zur Kunst an sich.«
    Ich zog die Skulpturen vor, denn sie hatten einen internen Bezugsrahmen, durch den die profunderen Aspekte des Designs besser zur Geltung kamen. An einem ragte der Brustkorb bis über die Oberschenkel hinunter. Verschiedene kleine Schädel demonstrierten zyklopische Züge. Lichter waren in die erwarteten Öffnungen eingesetzt, um die Zuschauer zu necken. Eine abfallgrünfarbene Skulptur hielt scheinbar gewichtlos das Gleichgewicht auf dem dritten, längsten Zeh ihres vierten Fußes.
    »Iz, ich bitte …« murmelte John. Ich küßte, er schien beruhigt.
    »Moment, bitte«, sagte ich, nahm seine Hand in meine, fühlte kein Gefühl. »Woll'n mal seh'n, wo's langgeht!«
    »Iz!«
    »Trainingserfordernis.«
    Das Hauptstück der Ausstellung war die Arbeit einer Künstlerin namens Tanya. Sie stammte aus der Provinz und lebte in der Bowl neben den großen Indiana-Dünen und übertraf sowohl in Inspiration als auch in Ausführung. Tanyas Gesichtsausdruck erinnerte an den meines Mannes, es war der eines Menschen, der für seine Kunst litt. Ihr Kind, das offenbar extrauterinen Ursprungs war, saß lächelnd neben ihr. Es hatte honigfarbenes Haar, das im Nacken dick und zerzaust war, und so rosafarbene Haut, als wäre es gekocht worden.
    »Wortlos«, murmelten einige, während sie Tanyas Körperkunst betrachteten. »Doppelverblüfft.«
    Das Kunstwerk, eine Mischung aus Mobile und Collage, befand sich in zwei transparenten Kegeln, die aufeinander balancierten. Der obere rotierte unablässig durch die gyroskopische Bewegung zweier ineinander verschlungener, darin schwebender Feuerräder, beide mit zehn Knochen armgespeicht, die Finger nach außen zuschauerwärts gerichtet, eine Balance haltend, die von der Natur weder angeboten noch beabsichtigt war. Im unteren Kegel drehten sich vier vollkörperliche, aber leergesichtige Kleine rund-rosig, in ewigem Makabertanz.
    »Jahrelange Arbeit«, antwortete Tanya auf eine Frage. »Manchmal verzweifelte ich.«
    »Wie hast du die Knochen gebleicht?« fragte ich.
    »Porzellanweiß«, erklärte sie. »Zerstampft.«
    Das Gesicht ihres Kleinmädchens erhellte sich, als würde auch sie ihr eigenes Leuchten erzeugen, das viel intensiver reflektierte als der Ruhm ihrer Mutter. »Sie liebt ihre Brüdern und Schwestern«, sagte Tanya und streichelte die perfekten Haare und Hände ihrer Tochter. »Wenn du alt genug bist, Schatz.«
    »Kosten?« fragte ich.
    Tanya schulterzuckte und lächelte. »Wenn du unbedingt fragst …«
    Ich hielt mich nicht für eine Künstlerin; vielleicht wäre ich eine gute Mutter gewesen, aber die Anästhesie unserer Ehe wurde durch keinerlei Kreativität getrübt. Als ich John ehelichte, war mir sofort bewußt, daß wir kinderlos bleiben würden. Obwohl insistierenden Wächtern, wie John einer war, Verbindungen gestattet wurden, erforderte Drycos Besorgnis um Familienstabilität, daß aus Ehen von Sicherheitspersonal keine Nachkommenschaft entsprang, die vorzeitig verwaisen konnte. Die Direktive verbot sogar Samenspenden für spätere Empfängnis, ob vor oder nach dem Ruhestand. Alle Wächter wurden vor der Diplomierung abgeklemmt. Erst nach der Sterilisation durften sie Jakes Buch in Empfang nehmen. Noch bevor ich wußte, daß es wirklich eine gab, träumte ich oft von einer Parallelwelt, wo John ein guter Vater und ich eine gute Mutter war.
    »Iz«, sagte er und berührte meinen Arm fliegenleicht mit steifen Fingern. Wie sein alter Ausbilder wich er meinem Blick aus, als wollte er nicht sehen, was verloren war. »Nach Hause jetzt. Das Alter macht sich in den Beinen bemerkbar. Ich bitte.«
    »Moment.«
    Würden unsere Pendants in jener anderen Welt je geboren werden? Und würden sie, wenn ja und wenn sie heirateten, kreieren? Oder würden sie genauso wie wir ohne Kunst leben, ein gemütliches Paar, separat, aber
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