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Ambient 05 - Elvissey

Ambient 05 - Elvissey

Titel: Ambient 05 - Elvissey
Autoren: Jack Womack
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sah ich, wie John noch einmal das Schlußwort des Buches las, ein Zitat, das John Donne zugeschrieben wurde. Ich war einmal in London gewesen und hatte in der St. Pauls Cathedral die Statue des Predigers gesehen, dessen Bild nach seinen Wünschen modelliert worden war: in Leichentücher gehüllt, Augen wie schlafend geschlossen, lächelnd wie von jedem künftigen Begräbnis träumend, vielleicht mit einer Vision seines eigenen – dem Ende einer langen Probe mit der Aussicht auf gesicherten Ausgang im Jenseits.
     
    Ich eile dem Tod entgegen, und der Tod mir,
    und all meine Freuden sind nur noch Vergangenheit.
     
    Jakes Dekonstruktion folgte kurz und bündig. Wenn die Zeit da ist, hatte er geschrieben, handle !
     
    Der Unterricht war zu Ende; bevor wir nach Hause gingen, stiegen wir in die Krypta der St. Paul's von Columbia hinab, um eine Kunstausstellung zu besuchen. Eine marmorne Wendeltreppe führte hinunter. Treppunten standen Künstlerinnen, rauchten, tranken Wein aus Tassen und fachsimpelten. An ihren Unterleibsschwellungen erkannte ich, daß sie noch während des Palavers neue Projekte anstrebten. Die anderen Designerinnen, darunter auch die Frau, die mir schon früher aufgefallen war, hatten sich galeriert und standen um ihre Behälter herum. Auch ihre Skulpturen hatten sie ausgestellt, dazwischen Ikebana-Schalen, die nicht weniger künstliche, wenn auch natürliche Farben zeigten.
    »Häßlich«, bemerkte ein Besucher zu seiner Begleiterin. Ihr erstes Date, schlußfolgerte ich, denn beide erwiesen ein angestrengtes Desinteresse an den Angelegenheiten des anderen.
    »Kunst«, erwiderte sie enthusiastisch.
    Hintergrundwesentliches: Ungeplante intrakörperliche Schwangerschaft war unvermeidlich, wenn sie umgehungsmäßig terminiert war. Die Reoptimierung hielt den Bestimmungen stand, die das Intrauterine vor vorzeitiger Entfernung schützten, ungeachtet der Schwangerschaftsprognosen. Nur durch Exvivokulturen wurde natale Perfektion garantiert. Die Mutativität der Natur war unvermeidlich: Chemieregen reich an Säuren und abweichender Strahlung, Imperzeptibilien in der Nahrung, unser radiumblauer Himmel. Herkömmliche uterine Reifung resultierte unweigerlich in der Geburt von Deformitäten, manchmal vorzeitig, meistens tödlich.
    »Eine Pille bei Tagesanbruch, sechzehn Wochen lang«, flüsterte eine Künstlerin einem ihrer Schützlinge zu. Beide trugen Ohrringe mit winzigen versilberten Füßchen, deren Zehen durch Diamantsplitter gespreizt waren. »Die resultierenden Variationen sind von erhabener als die von Thalidomid.«
    »Nebenwirkungen?« fragte eine Zuhörerin. »Deine selbstredend.«
    »Standardmäßig.«
    Fötalkünstlerinnen empfingen, wie es einst die Regel war, und setzten sich während der Schwangerschaft absichtlich ausgewählten Medien aus, die für die Verkörperung ihrer Konzepte am geeignetsten waren, die nur leben konnte, nachdem sie gestorben waren.
    »Solipsistisierer«, sagte John mit leerem Blick; seine Augen lagen so tief in ihren Höhlen, daß ich sie niemals für blau hätte halten können, wenn ich es nicht schon gewußt hätte. »Laß uns abkürzen!«
    »Bleib cool«, sagte ich als Übung für die notwendigen Phrasierungen unserer bevorstehende Reise. »Nein: locker. Bleib locker.«
    »Ach, Iz«, sagte er stirnrunzelnd, so daß nur ich es sah. »Direktsprache bitte, jedenfalls mit mir.«
    »Vergib«, sagte ich; konnte er vergeben? Ich fragte mich, ob es andere als chemische Gründe gab, daß meine Augen genauso gespannt wie seine aussahen; sie begannen zu prüfen, was ausgestellt war. Im Glasbauch jeder Mutter schwebten freigestaltige Verkörperungen als mütterliche Expressionen. Einige waren lavaleuchtend und ließen die Kleinen in den Behältern selbststrahlend erscheinen, während sie zwischen glühendem Plasma trieben. Sie ähnelten Warnballons, die vor toxischen Wolken hochgelassen wurden und alle aus Gefahrgründen fliehen ließen. Andere Babys präsentierten den Bewunderern Origami-Außenorgane. Andere sahen aus, als wären sie mechanisch zerlegt und ohne Kenntnis der originalen Anlage rekonstruiert worden.
    »Unoriginell«, bemerkte ein Kritiker zu einem, das unleuchtend war und dessen Gesicht direkt auf dem Halsstummel saß. Die Arme des Baby bewegten sich im Gel, als wollte es fliegen.
    »Begründung?« fragte seine Begleitung.
    »Ähnliches wurde lebend gesehen, ein Bettler auf der Mercer Street, vor sechs Monaten.«
    In den Augen einiger Ausstellungsstücke sah ich die
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