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Ambient 05 - Elvissey

Ambient 05 - Elvissey

Titel: Ambient 05 - Elvissey
Autoren: Jack Womack
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vorhergesehen, jedoch kassandrahaft; bekannt, weil ignoriert.
    »Vielleicht waren Inferenz und Induktion nicht ergebnisreich genug, wurde gedacht. Daher resultierte die Herausforderung. Wie soll man das Unbeantwortbare beantworten?«
    Wo endete die Liebe zu John, und wo begann der Haß? Wie tief lag beides unter dem sich anhäufenden Schlamm des Zorns begraben? Bedingte Liebe gleichzeitigen Haß? Mußten sich diese Gefühle so synchron von akut bis chronisch vertiefen? Mußte nur genug Liebe überbleiben, um die Schmerzen des unvermeidlichen Zerfalls zu verursachen?
    »Im letzten Monat haben wir im Kontext mit dem E-Projekt eine weitere Scherbe ihres Glases gebrochen«, sagte Mora. »Einen Eiszapfen, der von einem Flugzeug abfiel.«
    Wollten wir, daß unsere Liebe endete? Brauchten wir ein solches Ende? Spielte es eine Rolle?
    »Ein Miniatur-Empfänger wurde durch das Verbindungsfenster und die Zone geschleust, sechzehn Minuten lang. Er nahm auf und übermittelte die Radiosendungen der anderen Welt in unmittelbarer Reichweite.«
    Der Zufall zog uns an, die Erfahrung stieß uns ab; was uns aneinanderschmiedete, war so rätselhaft wie die wahre Natur jener lediglich vorstellbaren Welt.
    »Der Empfang war peripher. Statik und Übertragungsverluste waren unvermeidlich, die Verbesserungsmöglichkeiten limitiert. Beim Hören wird um Berücksichtigung gebeten«, sagte Mora.
    Als Johns Medikation, die er vor einer Stunde appliziert hatte, ihre Wirkung entfaltete, zeigte er zunächst nichts außer unausdrückbarer Wut; dann wurde sein Blick nichtexistent. Ich wandte mich von ihm ab und spürte, wie mein eigener Zorn erblühte. Ich konnte ihn nicht vor sich selbst bewahren, und Hilfe durch andere schmerzte nur umso schlimmer. Unter dem Tisch nahm ich die Hand meines Mannes, die sich wie ein frisch aus dem Wasser gefangener Fisch anfühlte. Indem ich meine Finger in seine Taubheit drückte, versuchte ich seine Zirkulation zu restimulieren, und wärmte seine ergrauende Haut, wenn auch nur für einen Bruchteil der Geschichte, ein Zeitzittern lang.
    »Versetzen Sie sich in ihre Präsenz«, sagte Mora und streichelte seine Maschine, als wollte er sie damit zum Orgasmus bringen. »Hören Sie das Unsehbare! Rekonstruieren Sie die gesammelten Fragmente. Dies ist, was Sie erwartet!« Disartikulierte Stimmen spritzten aus den Lautsprechern, nah und doch so fern, Rufe über einen gewaltigen Abgrund. Wir hörten Stille, dann einen Song.
    »Sh-boom, Sh-boom …!«
    Aufgrund meiner Lektionen in Urbanem Prä-Beat erkannte ich, daß diese knochenweißen Stimmen Bürstenschnitt-Noten waren und nicht die der Akkorde. Der Song verklang, und ein Vokal-Medley kam aus der Ferne.
    »Pepsi-Cola hits the spot …«
    »… every day at this time by Listerine …«
    »… that doggie in the window …«
    Johns Augen refokussierten, als er sich tiefer in sich zurückzog und sich Mora, mir und den Worten der anderen Welt entzog. Er holte ein abgegriffenes schwarzes Buch hervor, studierte die Seiten, als würde er nach Antworten auf Fragen suchen, die bislang als unanwendbar galten.
    »… and the prices go down, down, down …«
    »… in der vergangenen Nacht zahlreiche Sichtungen der fliegenden Untertassen am Himmel über Washington, und auf den Radarschirmen …«
    Jake hatte die Sicherheit während Johns Ausbildung vor siebzehn Jahren geleitet; zur Graduation im Anschluß an das Blutritual wurden John und alle Aufgenommenen mit Jakes hymnischem Knifelife beschenkt. Auf den Seiten seines Buches inspirierte Jake seine ihm Überantworteten und befähigte sie, den gegenwärtig befangenden Tag zu ignorieren und sich auf den zu freuen, der vermutlich folgen würde; der vielleicht besser, vielleicht schlechter sein würde; dennoch ein neuer Tag, dessen vergängliche Sicherheit bislang durch kein Ereignis gescheitert war:
    »… schalten wir zu Reg Berman und seiner Truppe in den Marinekasernen auf dem Brooklyn Navy Yard …«
    Tage, nachdem ich John getroffen hatte und sofort wußte, daß ich diese Liebe niemals verlieren würde, ganz gleich, was geschah, traf ich Jake, der es vermied, anderen in die Augen zu sehen. Ich hing über ihm wie eine Wolke, die so schwarz wie sein Anzug weiß war. Erst später wurde mir bewußt, daß ich Jake überragte. Er sprach wenig, und wenn, dann zwergenhaft. John sagte mir, daß Jake in gerechtfertigter Stimmung mit einem Augenzwinkern töten konnte, und obwohl ich nachfragte, ließ er diese Bemerkung als Metapher im Raum
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