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Ambient 05 - Elvissey

Ambient 05 - Elvissey

Titel: Ambient 05 - Elvissey
Autoren: Jack Womack
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es auch. Keine Welt, die wir versucht haben, paßt zu uns. Uns steht noch eine dritte offen. Eine, die uns paßt.«
    »Du willst, nicht ich«, sagte ich. Doch wie oft waren unsere dunkleren Gedanken schon in gleichen Bahnen verlaufen? Wie oft hatte ich nicht nur ihn, sondern auch mich überzeugen müssen, den Weg zu gehen, den er wollte? Mein Mann lächelte; seine Augen funkelten so hell wie sein Rasiermesser. »Mein Baby lebt. Ich will, daß es so bleibt.«
    »Es mag jetzt leben«, sagte er und hob das Messer. »Doch wie lange noch?«
    »Bis es geboren ist«, sagte ich und drückte mich mit dem Rücken gegen die Wand. »Wir müssen weitermachen, John. Wenn nicht gemeinsam, dann getrennt, aber wir müssen …«
    »Wir werden«, sagte er. »Wir werden gemeinsam weitergehen. Wie schon immer. Für uns gibt es keine Trennung. Komm mit, Iz. Komm mit.«
    »Ich werde nicht«, sagte ich. »Höre mir bitte zu …«
    »Die Zeit zu reden ist vorbei«, sagte er. »Die Zeit zu handeln ist gekommen. Ich liebe dich, Iz.«
    »Das ist das Problem …« sagte ich; er hörte nicht mehr zu und antwortete nicht. Er lockerte seinen Griff, umfaßte meine Taille mit einem Arm, preßte sich gegen mich und drückte seine Lippen auf meine. Während er mich küßte, verlor die Zeit ihre Struktur, dehnte sich, als befänden wir uns mitten im Transfer, dort in jenem alten Hotel, wo sich unzweiflig schon so viele geküßt hatten, umarmt hatten und gestorben waren. Momentlang spürte ich meine Mauern einstürzen; ließ mich in seinen Armen treiben, erlaubte meinem Geist, sich zu leeren, redete mir ein, daß ich irgendwann wieder betrogen wurde, daß ich ihn lieber begleiten sollte, damit alles vorbei war. Hätte er da gehandelt, wären wir auf ewig vereint gewesen.
    »Zeit, Iz«, sagte er.
    »Zeit«, wiederholte ich, kopfnickte und starrte in die Sarkophag-Badewanne. Ich hörte die übriggebliebene Libelle im Nebenzimmer summen, als sie einen Weg nach draußen suchte. »Was ist also zu tun?«
    »Ein Mund ist nicht genug für unsere Küsse«, sagte er und hielt das Rasiermesser wie eine Rose in der Hand. Ohne die Schneide mit der Haut zu berühren, zog er es sich über die Kehle, von Ohr bis Ohr die Kinnlinie entlang. »Etwa so. Ignoriere kurzfristigen Schmerz und denk an die Ewigkeit. Auf der anderen Seite wird es anders sein, Iz. Bestimmt.« Er reichte mir das Rasiermesser, damit ich den Anfang machte; ich zog meine Hand weg, bevor ich es nehmen konnte. Zuerst schien er irritiert; dann grinste er. »Dann werde ich vorausgehen. Meine Hand ist erfahrener.«
    »Ja …«
    »Ich liebe dich, Iz.«
    »Gegenseitig«, sagte ich. Er legte das Rasiermesser unter sein Kinn und hielt die Schneide unmittelbar unter sein Ohr; dann führte er einen glatten, sicheren und perfekten Schnitt aus. Momentlang sah seine Kehle wie zuvor aus. Dann benetzte ein roter Wasserfall seine Haut, der aus der dünnen Linie hervorbrach; zwei purpurne Ströme drangen aus seinen Halsschlagadern und ließen die Fäden rhythmisch pulsieren. Als ich ihm erlaubte, mich auszulöschen, sah ich sein Gesicht wachsweiß erbleichen: Mit den ruhigen Händen eines Chirurgen drückte er das Rasiermesser in meine Hand, und ich nahm es von ihm an. Er öffnete die Augen, als er langsam zu Boden sank, darauf bedacht, sein Knie geradezuhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren; unsere Blicke trafen sich, als er meine Beine benetzte. Mein Mann versuchte zu sprechen; seine Lippen formten meinen Namen, und er stützte sich einhändig am Rand der Badewanne.
    »Lebewohl, John«, sagte ich zu ihm, ohne mich von der Stelle gerührt zu haben. »Vergib.«
    Ich hielt es für zu entwürdigend, ihn nicht anzusehen; er starrte mit einem scheinbar überraschten Blick zu mir auf, doch dann nickte er und lächelte. Ich hatte ihn noch nie mit so glücklichem Gesichtsausdruck gesehen; vielleicht war der Frieden, den er endlich gefunden hatte, seliger als er sich je vorgestellt hatte. Augenschließend ließ er seine Hand von der Wanne abgleiten und legte sie sich an den Hals; mit sanften Bewegungen weitete er seine Wunden und streckte sich dann auf dem roten Badezimmerteppich aus.
    Sobald er ruhig dalag, sackte ich an der Wand zusammen, hielt das Rasiermesser, das er mir gereicht hatte und ließ, daß es auf meinen Bademantel tropfte. Ich legte ihn in voller Länge auf den Teppich, zog mich aus und bedeckte ihn mit dem Bademantel. Dann stieg ich in die Wanne und tauchte in das kühle Wasser, zog den Stöpsel
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