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.Am Vorabend der Ewigkeit

.Am Vorabend der Ewigkeit

Titel: .Am Vorabend der Ewigkeit
Autoren: .Brian W. Aldiss
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tat gut.
    Nach einer Weile konnte er sich umsehen.
    Aus dem nahen Dickicht krochen lange, gelbe Ranken auf ihn zu. Alarmiert richtete Haris sich auf, aber da war keine Frau in der Nähe, die ihn beschützen konnte. Er war auf sich angewiesen. Mit einem Ruck zog er sein Messer aus dem Gürtel und rollte sich auf die Seite. Die Ranken ließen sich leicht zerschneiden. Mit solchen Feinden wurde man schnell fertig.
    Aber dann erblickte er seine eigene Haut und schrie entsetzt auf. Fassungslos sprang er auf die Füße und sah an sich hinab. Seine Kleidung war zerfetzt, und die Haut wurde von einer Kruste bedeckt. Mehr noch, an den Armen, Rippen und Füßen wuchsen lederartige Partien.
    Hinter sich hörte er ein Geräusch. Lily-Yo kam gerade aus ihrem Kokon und hob die Hand, um ihn zu grüßen. Zu seinem Erschrecken stellte Haris fest, daß ihr Körper genauso mißgestaltet war wie seiner. Lily-Yo war kaum zu erkennen. Sie sah genauso aus wie einer der verhaßten Flugmenschen. Von Grauen geschüttelt warf er sich zu Boden und begann verzweifelt zu schluchzen.
    Aber Lily-Yo war immer die Führerin gewesen. Sie weinte nicht. Entschlossen machte sie sich daran, die anderen aus ihren Särgen zu befreien.
    Daphe und Hy waren tot. Ihre Körper lagen erstarrt und verfärbt in den Kokons. Als Lily-Yo die Kokons öffnete, zerfielen beide Leichen sofort zu Staub. Flor aber lebte, und auch Jury kam zu sich und atmete begierig die frische Luft des Mondes ein.
    Haris kam zu den drei Frauen. In seiner Hand trug er seine Seele.
    »Vier von uns sind hier«, sagte er. »Haben uns nun die Götter aufgenommen oder nicht?«
    »Wir fühlen Schmerzen, also leben wir«, erwiderte Lily-Yo. »Nur Daphe und Hy sind tot.«
    Haris warf seine Seele zu Boden und trampelte mit den Füßen darauf herum.
    »Und wir? Wären wir nicht besser auch tot?«
    »Bevor wir darüber entscheiden, sollten wir essen«, entschied Lily-Yo mit der ihr eigenen Überlegenheit.
    Sie zogen sich in das nahe Dickicht zurück, wobei einer den anderen stützte. Sie waren nicht mehr drei Frauen und ein Mann sondern einfach vier Menschen. Die Unterschiede waren plötzlich vergessen.

5
     
    Sie gingen nur langsam und wußten nicht, wo sie waren. Ihre Glieder schmerzten. Von einem Erwachen zum anderen war ihr Leben verändert worden. Jetzt ließ sie nicht mehr ihre Erfahrung, sondern nur ihr Instinkt überleben. Was vor ihnen lag, war unbekannt.
    Als sie müde wurden, rasteten sie.
    Lily-Yo lag auf dem Rücken und sah hinauf in den dunkelblauen Himmel. Eine riesige Halbkugel schwebte dort, grün, blau und weiß. Sie wußte nicht, daß es die Erde war. Sie wußte nicht, daß sie von dort kamen. Was wußte sie schon?
    Die silbernen Fäden der Traverser schimmerten im Sonnenschein. Sie waren überall und bildeten Knoten und Netze. Die Traverser selbst waren wie dunkle Wolken am Himmel, manche näher, manche weit entfernt.
    Die Traverser waren es auch gewesen, die vor Jahrmillionen die ersten Samen von der Erde zum Mond gebracht hatten. Zuerst starben diese Samen. Allmählich aber bildete sich eine Art Humusschicht. Die nächsten Samen fanden Nahrung und eine dünne Lufthülle vor. Sie paßten sich an und wuchsen und lebten. Sie atmeten. Sie vermehrten sich. Ganz allmählich überzog die bisher tote Mondoberfläche eine grüne Schicht. Zuerst in den Kratern, dann überall. Der Mond erhielt eine Atmosphäre und eine eigene Vegetation, die immer wieder neue Gase erzeugte und die in den Raum entfliehenden ersetzte.
    Besser als eine andere Rasse je zuvor hatten die Traverser eine leblose Welt bevölkert und kolonisiert.
    Von alledem wußte Lily-Yo natürlich nichts oder nur wenig. Sie vergaß den Himmel, als sie neben sich ein Geräusch hörte.
    Flor lag neben Haris, der ihr sanft durch die Haare strich. Dabei flüsterte er ihr zärtliche Worte zu.
    Lily-Yo sprang auf und riß Flor hoch.
    »Was fällt dir ein? Ist dazu jetzt Zeit?«
    »Haris hat angefangen«, kreischte Flor und versuchte sich zu befreien.
    Haris sprang ebenfalls hoch. Er wollte etwas sagen und breitete die Arme aus, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. Mit offenem Mund und weitaufgerissenen Augen stieg er einige Meter hoch in die Luft und beschrieb einen Bogen. Er fand die Sprache wieder.
    »Seht nur!« rief er voller Entzücken. »Ich kann fliegen ...«
    Er machte einige unbeholfene Bewegungen mit den Schwingen, geriet ins Taumeln und stürzte schließlich in einen nahen Teich.
    Die drei Frauen vergaßen ihre
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