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.Am Vorabend der Ewigkeit

.Am Vorabend der Ewigkeit

Titel: .Am Vorabend der Ewigkeit
Autoren: .Brian W. Aldiss
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Zeit still, wenn auch viele Dinge geschahen – wichtige und unwichtige.
    Für Lily-Yo und Flor gab es wichtige Dinge. So lernten sie jetzt richtig fliegen.
    Die Stellen, an denen die Schwingen gewachsen waren, schmerzten in der ersten Zeit. Dann aber wurde das Fleisch geschmeidiger. Es war ein Vergnügen, sich abzustoßen und fast schwerelos dahinzugleiten. Als ihre Geschicklichkeit stieg, brachte man ihnen das Fliegen und Jagen innerhalb der Gruppe bei.
    Vor undenkbaren Zeiten war es ein Mißgeschick gewesen, das die ersten Menschen auf den Mond gelangen ließ. In Wirklichkeit hatte es kein größeres Glück geben können. Der Mensch hatte sich den Bedingungen der Wahren Welt angepaßt und lebte auf ihr besser und länger. Die Schwere Welt aber wurde mehr und mehr die Domäne der Pflanzen.
    Lily-Yo hatte das schnell begriffen. Zusammen mit Flor und einigen anderen saß sie auf einem Felsen und kaute zerquetschte Mehlbeeren. Es fiel ihr schwer, ihre Gefühle auszudrücken.
    »Hier sind wir sicher«, sagte sie und deutete hinab auf die weite Landschaft mit der freundlichen Vegetation. Darüber schwebten die silbernen Netze der Traverser und schimmerten im Sonnenschein.
    »Bis auf die Tigerfliegen«, gab Flor zu bedenken.
    Der Felsen war hoch und die Luft dünn. Der Vegetationsteppich des Mondes wurde oft durch Gebirge unterbrochen, denn er war nicht so dick wie der Wald auf der Erde.
    »Diese Welt ist kleiner«, fuhr Lily-Yo fort und versuchte, ihre Gedanken in Worte zu kleiden. »Darum sind wir größer und brauchen uns nicht so zu fürchten. Wir haben weniger Gegner.«
    »Bald werden wir kämpfen müssen.«
    »Aber wir kehren hierher zurück. Es wäre ein guter Platz für die Gruppe. Veggy und Toy, May und Gren – ihnen würde es gefallen.«
    »Sie würden die Bäume vermissen.«
    »Vermissen wir sie denn? Haben wir jetzt nicht Flügel? Alles ist eine Sache der Gewohnheit und der Anpassung.«
    Über ihnen waren im dunkelblauen Himmel die flimmernden Flecke der Traverser. Sie spannen dort oben ihre Netze und ließen sich nur selten zur Mondoberfläche herab. Lily-Yo mußte an den Plan der Gefangenen denken, der jetzt in die Tat umgesetzt werden sollte. Um ihn zu begreifen, mußte sie sich alles bildlich vorstellen.
    Die Gefangenen wußten alles, und sie konnten weit in die Zukunft schauen. Sie waren nicht wie Lily-Yo oder Flor und die anderen, die fast wie Pflanzen lebten. Die Gefangenen waren keine Pflanzen. Sie dachten.
    Sie wußten, daß die Flugmenschen nur wenig Kinder bekamen, weil sie zu alt waren oder die Strahlung ihre Fortpflanzungsfähigkeit abgetötet hatte. Die Wahre Welt würde aber noch schöner sein, gäbe es mehr Menschen auf ihr. Um das zu erreichen, mußten auf der Erde Kinder geraubt werden.
    Das geschah seit Jahrtausenden. Tapfere Flugmenschen waren zur Schweren Welt gereist und hatten Kinder gestohlen. So auch jene, die Lily-Yo und die Gruppe angegriffen hatten. Bain war dabei entführt worden, aber bis heute hatte sie niemand auf dem Mond gesehen.
    Es war eine gefährliche Mission, denn von den vielen, die auszogen, kehrten nur wenige mit Erfolg zurück. Manche sah man nie wieder. Aber den Gefangenen war nun eine bessere Methode eingefallen, die zum erstenmal ausprobiert werden sollte.
    »Da kommt ein Traverser«, sagte Band Appa Bondi und unterbrach die Stille. »Wir müssen uns bereitmachen.«
    Er stand auf und führte die elf ausgesuchten Flugmenschen an. Lily-Yo, Flor und Haris sollten ihn unterstützen, weil bei ihnen die Erinnerung an die Schwere Welt noch frisch war. Ihnen folgten die acht anderen, drei Männer und fünf Frauen. Sie alle waren ähnlich wie Lily-Yo zum Mond gelangt, nur Bondi war als Kind entführt worden.
    Sie reckten ihre Flügel und stießen sich ab. In sanftem Gleitflug segelten sie in die Ebene hinab, wo der Traverser eine Tigerfliege ausgesaugt hatte und ruhte.
    Es war ein noch junges Exemplar, das bald die ersehnte Reise zu der Schweren Welt antrat, um unterwegs in der wohltuenden Strahlung zu baden. Jetzt lag es mit seinem ganzen Gewicht auf dem niedergedrückten Vegetationsteppich.
    Der Traverser, obwohl noch jung, war bereits krank. Aber das wußte er nicht. Die Tigerfliege war an ihm gewesen, aber das wußte er auch nicht. Sein riesiger Körper war gegen geringe Schmerzen unempfindlich.
    Die zwölf Menschen landeten sicher auf seinem Rücken. Der Traverser rührte sich nicht. Vorsichtig arbeiteten sich die Wagemutigen durch das Gestrüpp der Haarborsten und
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