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Am Ufer der Traeume

Am Ufer der Traeume

Titel: Am Ufer der Traeume
Autoren: Thomas Jeier
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Überfall zu erzählen. Er machte sich Vorwürfe, weil er als Einziger am Leben geblieben war und es nicht geschafft hatte, den beiden zu helfen. »Einer der roten Teufel trieb mich mit seinem Gaul in die Hügel, als ich meine Sharps leer geschossen hatte. Er hätte mich über den Haufen geritten, wenn ich nicht geflohen wäre. Ich ließ das Gewehr fallen und rannte, so schnell ich konnte, aber er erwischte mich natürlich und hackte mit seiner Kriegsaxt auf mich ein. Keine Ahnung, warum er mir nicht den Rest gab und ich meinen Skalp behalten durfte. Wahrscheinlich wollte er die Party vor dem Haus nicht verpassen.«
    Molly konnte sich gut vorstellen, was er mit »Party« meinte. Sie hatten den Stationsagenten und seine Frau übel zugerichtet und sie lange leiden lassen.
    »Ich hätte nicht davonlaufen dürfen! Auch mit der leeren Sharps hätte ich den Krieger angreifen können. Wenn ich ihn mit dem Kolben erwischt hätte, wäre vielleicht noch Zeit gewesen, das Gewehr nachzuladen und die roten Teufel zu vertreiben. Ich hätte doch ...« Er hielt mitten im Satz inne und kämpfte gegen die Tränen an. »Es waren so viele ... zwanzig Krieger ... mindestens ... sechs hatten Gewehre ... die anderen Pfeil und Bogen und Kriegsäxte ... verdammt! Warum haben sie ausgerechnet mich am Leben gelassen?«
    Molly seufzte leise. »Sie haben getan, was Sie konnten, Buddy. Gegen zwanzig Krieger kommt kein Mensch an. Dass man Sie nicht umgebracht hat, war Glück. Irgendwas muss die Indianer vertrieben haben. Sie haben nicht mal das Haus betreten, da war keine Unordnung und die Regale waren voll. Sie haben nur die Waffen mitgenommen. Anscheinend hatten sie es eilig.«
    »Oder irgendein Hokuspokus war daran schuld. Diese Medizinmänner kommen auf die komischsten Ideen. Ein heulender Kojote, kühler Wind aus dem Norden, der abnehmende Mond ... Wenn sie glauben, dass böse Geister in der Nähe sind, geben sie Fersengeld. Wenn es so war, kamen die Geister leider zu spät.« Er blickte auf das Bettende, als gäbe es dort etwas ganz Besonderes zu sehen. »Obwohl ich die Burschen irgendwie verstehe. Ich wäre auch wütend, wenn mir seltsam aussehende Fremde mein Land wegnehmen wollten. Bis vor ein paar Jahren waren die Comanchen noch ganz allein in Texas.«
    Von der Seite hatte Molly das Problem noch gar nicht gesehen. Aber der Oldtimer hatte recht, die Comanchen waren vor den Weißen in Texas gewesen. Weiße Einwanderer wie sie waren die Eindringlinge. Sie waren aus Europa geflohen, weil sie dort verfolgt wurden oder nichts mehr zu essen hatten, und begannen ihr neues Leben in einem Land, das eigentlich den Indianern gehört. Selbst die Insel, auf der New York gebaut worden war, hatte mal den Indianern gehört. Aber war Texas nicht riesengroß? Groß genug für Indianer und Weiße? Anscheinend nicht, sonst würden die Comanchen keine einsamen Poststationen überfallen und die Texas Rangers nicht gegen sie vorgehen.
    »Leider vergessen die Comanchen, dass sie selbst mal Eindringlinge waren«, fuhr der Oldtimer fort. »Hat mir ein Professor erzählt, der mit mir auf den Goldfeldern war. Sie gehörten ursprünglich zu den Shoshone, die wohnen weiter nördlich in den Bergen. In Texas vertrieben sie die Lipan-Apachen aus ihren Jagdgründen, so wie es die Weißen irgendwann mit ihnen tun werden.«
    »Dann sind sie nicht besser als wir.«
    Der Oldtimer grinste. »Sie können besser reiten.«
    Molly gewöhnte sich an ihr neues Leben. Sie kümmerte sich um Buddy Johnson, der seinen ersten Versuch, das Bett zu verlassen, schon nach wenigen Schritten abbrach und erschöpft aufs Laken zurücksank. Er hielt sich die genähten Wunden. »Sieht ganz so aus, als müsste ich noch ein paar Tage liegen bleiben. Ich bin’s nicht gewöhnt, so lange auf der faulen Haut zu liegen.«
    »Ist aber besser so. Solange wir keine Pferde haben, gibt’s hier sowieso kaum was zu tun. Bis die Gesellschaft welche schickt, vergehen bestimmt noch ein paar Tage. Die Kutsche ist erst in zwei Wochen fällig. Und mit dem Haushalt komme ich allein zurecht. Oder wollten Sie den Besen schwingen?«
    »Nur wenn es unbedingt sein muss.« Er griff lächelnd nach dem Kaffeebecher, den sie ihm reichte. In Irland hatten sie nur Tee getrunken, aber Molly wusste inzwischen, wie stark sie ihn machen musste. »Sie haben mir noch nicht verraten, warum Sie hiergeblieben sind. Sind Sie Krankenschwester oder so was?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Vielleicht wollte ich nicht, dass Sie hier
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