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Am Ufer der Traeume

Am Ufer der Traeume

Titel: Am Ufer der Traeume
Autoren: Thomas Jeier
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weiß, ob noch Comanchen in der Nähe sind. Bei diesen Halsabschneidern weiß man nie. Gehen Sie, Miss.«
    »Nicht, bevor ich den armen Mann verbunden habe!« Sie stapfte hinter den beiden Männern her, fest entschlossen, sich um den Verletzten zu kümmern.
    Vor dem Haus stand Snyder auf seine Schaufel gestützt, das Gesicht voller Schweiß. Die Gräber waren bereits zugeschüttet und nur noch der blutige Sand erinnerte an die Toten. Der Ingenieur hob nicht einmal den Kopf, als die Männer den verletzten Oldtimer ins Haus trugen. Er war am Ende seiner Kräfte. Seinem blassen Gesicht sah man an, wie sehr er unter der anstrengenden Arbeit und dem Anblick der grausam zugerichteten Toten gelitten hatte.
    »Wir können nichts mehr für ihn tun«, sagte der Beifahrer, als Molly hinter ihnen das Haus betrat. »Ihn zu verbinden würde viel zu lange dauern und wahrscheinlich gar nichts mehr nützen. Sie sehen doch, wie schwach er ist. Selbst ein Arzt könnte den nicht mehr retten.« Sie legten den Verletzten, der wieder das Bewusstsein verloren hatte, auf das Bett unter einem der Fenster.
    »Ich bleibe bei ihm.« Molly klang trotzig.
    »Das können Sie nicht, Miss«, erwiderte der Beifahrer geduldig. »Ich verstehe ja, dass Sie Mitleid mit dem alten Burschen haben. Auch ich mag ihn und lasse ihn ungern zurück, das können Sie mir glauben, aber der Kutscher und ich haben den Auftrag, die Kutsche sicher nach San Antonio zu bringen, und wir können nicht riskieren, dass es noch mehr Tote gibt. Die Comanchen können nicht weit sein. Wenn sie herausbekommen, dass wir hier sind ...« Er ließ den Satz unvollendet. »Kommen Sie, Miss! Steigen Sie in die Kutsche!«
    »Ich bleibe hier!«
    »Aber ... das geht nicht.«
    »Ich bleibe hier, Mister.« Molly wusste selbst nicht, welcher Teufel sie plötzlich ritt. Der gesunde Menschenverstand sagte ihr, dass es zu gefährlich war, allein bei dem verletzten Oldtimer auf der Station zurückzubleiben. Sie riskierte, von den Comanchen entdeckt, vergewaltigt und auf grausame Weise umgebracht zu werden. Selbst ein erfahrener Kämpfer wie der Beifahrer wäre machtlos gegen die Comanchen gewesen. Er hatte doch recht, die Chancen, dass der Oldtimer wieder gesund wurde, waren gering und sie würde wahrscheinlich schon nach wenigen Tagen allein dastehen. In einer einsamen Poststation mitten im Comanchengebiet, meilenweit von der nächsten Ansiedlung entfernt und ohne den geringsten Schutz gegen die feindlichen Indianer.
    Dennoch blieb sie bei ihrer Entscheidung. Sie würde bei dem Verletzten bleiben, bis er wieder gesund war, oder ihn begraben, wenn er sterben sollte, und sie würde sich um die Station kümmern, zumindest, bis die nächste Kutsche eintraf. Nicht nur, weil sie Mitleid mit dem verletzten Oldtimer hatte. Er starb wahrscheinlich schon, bevor er das Bewusstsein wiedererlangt hatte, und würde gar nicht merken, dass sie in der Nähe war. Aus irgendeinem Grund, den sie selbst nicht bestimmen konnte, hatte sie das Gefühl, ihr Ziel erreicht zu haben, an dem Ort angekommen zu sein, den Bryan und sie in ihren Träumen gesehen hatten. Noch sah er alles andere als einladend aus und man hätte sie ausgelacht, wenn sie diesen Gedanken laut ausgesprochen hätte, aber das spielte keine Rolle. Entscheidend war nur, was sie empfand.
    »Seien Sie doch vernünftig, Miss.« Der Beifahrer breitete eine Decke über den Verletzten. »Die nächste Kutsche hält erst in einem Monat wieder hier ... wenn überhaupt. Vielleicht stellen sie die Linie ein, wenn sie von dem Überfall hören, dann sitzen Sie ewig hier fest. Sie haben doch nicht mal ein Pferd.«
    »Ich besitze ein Gewehr und kann sogar damit umgehen«, erwiderte sie. »Holen Sie doch bitte meine Reisetaschen ... und sagen Sie der Gesellschaft Bescheid, dass ich mich um die Station kümmere. Sie sollen Pferde schicken und einen Knecht, der sich aufs Anspannen versteht. Ich kümmere mich ums Essen. Vor den Comanchen ...«, sie wusste, dass sie log, »... habe ich keine Angst. Sie werden wohl kaum dieselbe Station ein zweites Mal angreifen.«
    »Wenn sie sehen, dass eine junge Frau ...«
    Molly ließ ihn nicht aussprechen. »Ich komme zurecht, Mister. Ich komme aus Irland. Wir Iren können mächtig stur sein, wissen Sie? Wenn wir uns was in den Kopf gesetzt haben, kann uns kein Mensch mehr davon abbringen.«
    »Das merke ich. Also, wenn Sie unbedingt wollen ...« Der Beifahrer holte ihre Taschen und stellte sie im Haus auf den Boden. »Viel Glück,
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