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Am Ufer der Traeume

Am Ufer der Traeume

Titel: Am Ufer der Traeume
Autoren: Thomas Jeier
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stammte, der ebenfalls bei dem Schusswechsel zugegen gewesen war.« Gesucht werde Bryan aber noch wegen des Einbruchs, den er zusammen mit einigen Mitgliedern der Black Birds begangen habe.
    »Die Pferde können sich sehen lassen«, sagte Buddy, der in diesem Augenblick zur Tür hereinhumpelte. Er blickte Molly an. »Gute Nachrichten?«
    »Du hättest nur wenige Tage durchhalten sollen.«
    »Sehr witzig. Und sonst?
    »Bryan hat nicht auf den Polizisten geschossen.« Sie lächelte befreit. »Er wird nur noch wegen Einbruchs gesucht, aber solange er keinen Officer verletzt hat, geht die Polizei sicher nicht mit voller Stärke vor und er kann leichter entkommen.« Sie blickte auf das Datum der Zeitung. »Eigentlich müsste er doch längst hier sein. Ich würde zu gern wissen, was er die ganze Zeit tut.«
    Buddy hatte wohl eine schnippische Antwort auf Lager, verkniff sie sich aber. Stattdessen tröstete er sie: »Keine Angst, Molly. Wenn er nur ein bisschen Verstand hat, lässt er dich nicht im Stich. Er ist sicher schon unterwegs.«
    Doch auch der nächste Tag verging, ohne dass Bryan sich blicken ließ, und als sie am Morgen des übernächsten Tages mit ihrer Sharps vor die Tür trat, war Bärenohr dort und blickte ihr vom Rücken seines Pferdes entgegen. Diesmal war er allein gekommen. Seine Miene war so starr wie beim ersten Mal und in seinem Gesicht regte sich kaum ein Muskel. »Ich sehe ihn nicht«, sagte er.
    »Bryan ist unterwegs«, erwiderte sie, mühsam ihre Angst verbergend. »Er kommt aus New York, das ist weit weg von hier. Ich weiß, dass er kommt.«
    Bärenohr hatte sein Gewehr quer über dem Sattel liegen. »Ich gebe dir drei Tage. Wenn zum dritten Mal die Sonne aufgeht, komme ich dich holen.«
    Der Häuptling war verschwunden, bevor sie antworten konnte, und ließ sie mit gemischten Gefühlen zurück. Ihre Befürchtung, dass Bryan zu spät oder überhaupt nicht kommen könnte, wurde immer größer, und die Angst, was dann mit ihr und dem Oldtimer passieren würde, wuchs zu einem unsichtbaren Ring heran, der sich wie massives Eisen um ihren Brustkorb legte und sie beinahe zu ersticken drohte. Sie bekam kaum noch Luft, musste sich am Türrahmen festhalten, wenn sie das Haus verließ, und stützte sich auf den Lauf ihres Sharps-Gewehres, wenn sie am Brunnen stand. »Sei stark!«, machte sie sich selbst Mut. »Sei stark und zeige deine Angst nicht! Bärenohr beobachtet dich. Wenn er sieht, dass du dich fürchtest, verliert er den Respekt vor dir!«
    Sie dehnte den unsichtbaren Ring, der sich um ihren Körper geschlossen hatte, und atmete langsam durch, bekam ihren Körper wieder unter Kontrolle und fand zusätzlichen Trost in der Berührung des schweren Gewehrs, das sie selbst im Haus kaum aus der Hand legte. Ihre Schritte, wenn sie zum Brunnen ging, wurden sicherer und fester, ihr Blick entschlossener und mutiger. »Zeig es diesem Comanchen!«, feuerte sie sich an. »Beweise ihm, dass du keine Angst vor ihm hast! Zögere nicht, auf ihn zu feuern, wenn er dich auf den Rücken seines Pferdes ziehen will! Töte ihn, wenn es sein muss! Sei tapfer!«
    Der erste Morgen dämmerte herauf, ohne dass sich Bryan sehen ließ. Molly erledigte ihre Hausarbeit, wie man es von einer Stationsagentin erwartete, setzte Essen auf, kochte Kaffee, spülte das Geschirr. Abends spielte sie Poker mit dem Oldtimer, ein Spiel, das er ihr beigebracht hatte, ohne sich auf die Karten konzentrieren zu können. Sie schlief nur ein paar Stunden. Der zweite Morgen war kühl und windig, wehte entwurzeltes Unkraut gegen ihr Haus. Buddy kümmerte sich um die Pferde, gab ihnen zu fressen und bürstete ihr Fell. Noch immer keine Spur von Bryan, keine Staubwolke, nichts. Auch Bärenohr blieb unsichtbar, ließ nicht erkennen, ob er sich noch in der Nähe aufhielt.
    An diesem Abend brachte Molly keinen Bissen herunter. Sie fand weder die Kraft, das Geschirr zu spülen, noch hatte sie Lust zum Kartenspielen. Wie versteinert blieb sie auf ihrem Stuhl sitzen und blickte zum Fenster hinaus. Der Himmel hatte sich blutrot verfärbt und tauchte das scheinbar endlose Grasland in leuchtende Farben, die letzten Sonnenstrahlen ließen helle Flecken aufblitzen und dunkle Schatten erkennen. Die Bäume bei den Gräbern von Chester und Hannah hoben sich scharf gegen den Himmel ab.
    Molly schlief gar nicht mehr in dieser Nacht, döste nur ein paar Minuten, um gleich darauf wieder hochzuschrecken. Mehrmals überprüfte sie ihre Sharps, die Patronen und das
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