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Am Mittwoch wird der Rabbi nass

Am Mittwoch wird der Rabbi nass

Titel: Am Mittwoch wird der Rabbi nass
Autoren: Harry Kemelman
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ich ihm jedoch Geld anbot, und er war unbestechlich, dann wäre es umso schlimmer für mich gewesen. Doch als er mir von seinem Bruder erzählte, der Abonnenten warb, gab ich ihm fünf Dollar für ein Abonnement. Ich war überzeugt, er werde das Geld behalten. Und war ganz schön überrascht, als dann tatsächlich die Zeitung kam.»
    «Es wäre besser gewesen, Sie hätten das nicht getan», sagte der Rabbi düster. «Ich muss Sie leider jetzt verlassen. Wenn ich irgendwas für Sie tun kann …»
    «Ja, das können Sie wirklich, Rabbi. Wenn Sie mir ein siddur vorbeibringen könnten …»
    «Ich soll Ihnen ein Gebetbuch bringen?»
    «Sicher. Ich möchte auch mal ein paar andere Gebete sprechen, nicht immer nur das Schma Israel. »

51
    «Ich dachte, du hättest vergessen, dass wir zu den Bernsteins müssen», sagte Miriam, als ihr Mann nach Hause zurückkam.
    «Nein, das habe ich nicht vergessen.» Er berichtete ihr, was vorgefallen war.
    «Ach, seine arme Mutter!»
    «Was soll denn das sein – die Ansicht einer Angehörigen von Women’s Lib? Und was ist mit seinem armen Vater? Und mit dem armen jungen Mann selbst?»
    «Mrs. Aptaker ist die Einzige von den Dreien, die ich richtig kennen gelernt habe. Glaubst du, dass Akiva es getan hat, David?»
    Der Rabbi schüttelte düster den Kopf. «Dass Lanigan zugkräftige Beweise gegen ihn hat, steht außer Frage. Da ist das Motiv: Er hatte Grund, Kestler zu hassen. Da ist die Waffe: das Medikament. Und da ist die Gelegenheit: Er war zu dem Zeitpunkt, da das Rezept angefertigt werden musste, im Drugstore, und es hat den Anschein, dass er es selbst angefertigt hat. Wenigstens sagt das der andere Apotheker, und Akiva leugnet es nicht. Außerdem lässt die Tatsache, dass er kurz darauf die Stadt verlassen hat, auf seine Schuld schließen.»
    «Aber er ist zurückgekommen.»
    «Gewiss. Aber das war vierzehn Tage später. Und man könnte anführen, da in der Presse nichts davon erwähnt wurde, dass an Kestlers Tod etwas Verdächtiges war, habe er geglaubt, ungefährdet heimkehren zu können. Besonders belastend für ihn ist es dann noch, dass er die städtische Lokalzeitung abonniert hat. Auf diese Weise hätte er gleich erfahren, ob die Polizei den Fall untersuchte.»
    «Es sieht schlecht aus, nicht wahr, David?», fragte sie ruhig.
    «Hm-hm.»
    «Und du hältst ihn für unschuldig. Vielleicht, weil er religiös ist?»
    «Religiös? Seine Religion würde ihn nicht hindern, Kestler umzubringen. Im Gegenteil.»
    «Das verstehe ich nicht», gab sie zu.
    «Die äußeren Formen einer Religion sind unwichtig, solange sie nicht die grundlegende Philosophie und Moral widerspiegeln, die darin enthalten sind. Als Akiva mich zu überzeugen suchte, dass er keinen Hass auf Kestler verspüre, gab er mir damit einen Hinweis auf seine eigene Lebensphilosophie. Er hängt der mystischen Ansicht an, dass alles und jeder Teil des Ewigen Ganzen sind, dass du dein Feind bist und er du ist, warum solltest du ihn also hassen oder ihm Schaden zufügen wollen? Aber das gilt auch umgekehrt. Man kann die Tatsachen, dass man jemandem Schaden zufügt, mit der Begründung rechtfertigen, dass man sich im Grunde selber schadet. Und wer ist dazu eher berechtigt? Als ich ihn sprach, war er nicht im Geringsten beunruhigt, und wenn er unschuldig ist, hätte er das zweifellos sein müssen. Es kommt schließlich vor, dass Unschuldige verurteilt werden. Und selbst wenn sie freigesprochen werden, ist das eine mühselige und kostspielige Angelegenheit. Nein, er hätte beunruhigt sein müssen, und wenn er das nicht ist, hat er der Sache ein moralisches Mäntelchen umgehängt und sich selber dahin gebracht, dass er blind für die Tatsachen ist. Wenn er das kann, dann kann er seine Gedanken auch so dirigieren, dass er sich selber einredet, er habe etwas, das er wirklich getan hat, nicht getan.»
    «Warum aber …»
    «Ich vermute, weil ich ihn mag.»
    «Hör mal, David, wenn du heute Abend lieber nicht dahin willst …»
    «Nein, nein, wir können ruhig hingehen. Für Arnold kann ich heute Abend doch nichts mehr tun … Ach ja, doch! Ich kann ihm das siddur bringen, um das er mich gebeten hat. Also geh, zieh dich an.»
    «Ich bin schon fertig. Ich muss nur noch ein anderes Kleid anziehen.» Sie kämpfte sich in ein eng anliegendes kleines Schwarzes und kehrte ihm den Rücken zu, damit er ihr den Reißverschluss zuziehen konnte. Dann reichte sie ihm eine Perlenkette und hob ihr Haar im Nacken an, damit er sie ihr umlegen und
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