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Am Mittwoch wird der Rabbi nass

Am Mittwoch wird der Rabbi nass

Titel: Am Mittwoch wird der Rabbi nass
Autoren: Harry Kemelman
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befestigen konnte.
    Er musterte die Schließe kritisch. «Die Schnur ist durchgescheuert. Die Kette hängt nur noch an einem Faden.»
    «Ach, das macht nichts.»
    «Aber sie könnte zerreißen und …»
    «Dann ist es auch nicht weiter schlimm, David. Das sind doch keine echten Perlen. Es ist ein Modeschmuck, aber ich habe sonst nichts, was zu dem schwarzen Kleid passt.»
    Der Rabbi wartete an der Haustür, in der einen Hand das Gebetbuch, das er dem jungen Aptaker bringen wollte, in der anderen die Autoschlüssel, mit denen er ungeduldig klimperte, während Miriam dem Babysitter noch letzte Anweisungen gab. Im Wagen legte sie den Sicherheitsgurt an und ließ das Schloss an ihrer Taille einschnappen. Dann zog sie ihn straff. Die Fahrweise des Rabbi war im günstigsten Fall bereits unberechenbar, doch wenn er, wie jetzt, deprimiert und geistesabwesend war, neigte er zu unvermitteltem Beschleunigen und ebenso unvermitteltem Bremsen, ein Verhalten, das, wie sie vermutete, seine Gedankengänge spiegelte.
    «Also, wohin?»
    «Zu den Bernsteins, Liebling. Harris Lane.»
    «Und wo ist die Harris Lane?»
    «In diesem sehr hübschen Viertel, wo all die reichen Leute wohnen, die Epsteins, die Dreyfusses. Gleich um die Ecke von den Saffersteins.»
    «Ich habe keine Ahnung, wo die Saffersteins wohnen.»
    «Also gut», sagte sie, «ich werde dich hindirigieren. Du fährst zur Salem Road hinunter und biegst in die Minerva Road ein …»
    «Ich weiß, wo die Minerva Road ist», antwortete der Rabbi schmollend.
    «Ja, und die Harris Lane zweigt im oberen Teil von der Minerva Road ab.»
    Er fuhr die Salem Road entlang und kam am Goralsky-Block vorbei.
    «Minerva Road», murmelte sie vor sich hin.
    Er warf ihr einen indignierten Blick zu. «Ich weiß, ich weiß!» Dann bog er ab. Nach ungefähr zwei Minuten deutete er mit dem Kopf nach rückwärts und sagte: «Da wohnen die Kestlers.»
    «In dem weißen Haus?»
    Er sah in den Rückspiegel. «Nein, in dem braunen davor.»
    «Da standen aber viele Autos vor dem Haus. Ob die vielleicht eine Party geben?»
    «Das glaube ich kaum», antwortete der Rabbi. «Das sind vermutlich die Leute in dem weißen Haus. Kestler ist zwar kein praktizierender Jude. Habe ich dir erzählt, dass er mit seiner Frau während der Trauerwoche Karten gespielt hat? Aber ich bin überzeugt, dass er nicht vierzehn Tage nach dem Tod seines Vaters eine Party geben würde, und wenn auch nur aus dem Grund, dass er meint, es brächte ihm Unglück. Und seine Frau würde es noch weniger tun, glaube ich. Für sie würde es sich noch weniger mit den Vorschriften der Trauerzeit vertragen; ich glaube nämlich, sie ist keine Jüdin.»
    «Woher weißt du das? Hat sie dir das erzählt?»
    «Mit einem Namen wie Christine?» Der Rabbi lachte. «Als ich zum ersten Mal zu den Kestlers kam, um den alten Vater zu besuchen, knickste sie vor mir wie die irischen Landmädchen vor dem Priester. Ich musste ihr erst erklären …»
    «Halt!», rief Miriam laut.
    Er rammte den Fuß auf die Bremse, dass sie gegen den Sicherheitsgurt geschleudert wurde.
    «Es ist dahinten, David. Du bist dran vorbeigefahren.»
    «Da war aber gar keine Straße, nur ein Weg.»
    «Ja, das ist die Harris Lane. Sie führte zu einem kreisförmigen Platz. Du musst umdrehen.»
    «Bist du sicher?»
    «Mrs. Bernstein sagte, es wäre zwei Häuser vor dem Haus der Saffersteins, und das da ist das Haus der Saffersteins, also muss es dieser Weg sein. O-oh!»
    «Was ist denn nun wieder?», fragte er gereizt.
    «Ach David, meine Perlenkette ist zerrissen.»
    «Ich habe dir ja gleich gesagt …»
    «Das kommt von deinem plötzlichen Bremsen», sagte sie vorwurfsvoll. «Ich wurde gegen den Schultergurt geworfen.»
    Sie hob die Hand, nahm vorsichtig die zerrissene Kette herab und reichte sie ihrem Mann. «Hier, steck sie bitte in die Tasche. Vorsicht! Die Perlen rutschen von der Schnur. Da liegt schon eine auf dem Boden.» Sie wand sich. «Au! Eine ist mir in den Rückenausschnitt gefallen. Sie hängt in meinem BH fest.»
    «Also, wenn du glaubst, ich werde dich hier auf der Straße ausziehen … Steig aus, spring ein bisschen auf und ab. Dann lockert sie sich vielleicht und rutscht durch.»
    Miriam löste den Sicherheitsgurt und öffnete die Wagentür. Als sie vom Sitz glitt, rollte eine weitere Perle von ihrem Schoß auf das Sitzpolster. «Da ist noch eine, David. Sie ist in die Ritze zwischen Sitz und Rückenlehne gerutscht.» Von draußen beugte sie sich in den Wagen und
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