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Am Mittwoch wird der Rabbi nass

Am Mittwoch wird der Rabbi nass

Titel: Am Mittwoch wird der Rabbi nass
Autoren: Harry Kemelman
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tastete mit den ausgestreckten Fingern in der Ritze herum. «Nein, ich komme nicht dran.»
    «Steig ein», forderte er.
    «Aber David …»
    «Steig ein!», befahl er noch einmal.
    Er setzte den Wagen in Bewegung. «Die Harris Lane ist hinter uns», sagte sie kleinlaut. «Willst du nicht umdrehen?»
    «Ich muss zuerst zur Polizeiwache.»
    Das Gebetbuch auf dem Sitz zwischen ihnen fiel ihr ein. «Na schön. Wenn wir zurückkommen, ist es rechts, dann wirst du die Abzweigung auf keinen Fall verfehlen.»
    «Keine Angst. Wir werden noch rechtzeitig genug zur Party kommen.»
    Er fuhr bis zum Ende der Minerva Road, nahm Kurs auf das Stadtzentrum, jagte in rücksichtslosem Tempo durch die engen, gewundenen Straßen und hielt endlich vor dem Polizeirevier. Er war bereits aus dem Wagen gesprungen und hastete die Granitstufen zur Eingangstür hinauf, als Miriam sah, dass er das Gebetbuch vergessen hatte. Den Kopfüber seine ewige Vergesslichkeit schüttelnd, nahm sie das siddur und folgte ihm.
    Chief Lanigan kam, den Mantel über dem Arm, aus seinem Büro. «Hallo, David!» Er warf einen Blick über die Schulter des Rabbi. «Und Miriam auch. Was ist denn los?»
    «Miriam hat ihre Perlen verloren», keuchte der Rabbi.
    «Wollen Sie sagen, sie wurden gestohlen? Wollen Sie einen Diebstahl melden?»
    «Nein, nein. Sie trug sie ja.»
    «Es waren keine echten Perlen, Chief», erklärte Miriam. «Und außerdem war die Schnur durchgescheuert.»
    «Ja, dann …» Lanigan blickte von einem zum anderen. «Am besten kommen Sie mal mit rein.» Er ging voraus in sein Büro. «Und nun erzählen Sie mal. Was ist los?»
    «Die Perlen», begann Rabbi Small. «Miriams Schnur ist zerrissen, und dadurch kam mir eine Idee im Zusammenhang mit diesem Fall. Ihrer Meinung nach vertauschte Arnold die Flaschen, während McLane von seinem Platz aufgestanden war, um das Wischtuch zu holen, oder während er aufwischte. Jetzt stellen Sie sich das mal genau vor. Jeder hat ein Pillenzählbrett vor sich. Das ist eine Art Plastiktablett mit einer Vertiefung an der Seite. Man zählt die Pillen auf dem Tablett und hält es dann schräg, damit die Pillen in die Vertiefung gleiten oder rollen. Am Ende der Vertiefung befindet sich eine Tülle, die oben in die Flasche gesteckt wird, und die Pillen rutschen in die Flasche. Keine Pille kann davonrollen.»
    «Ich habe so ein Tablett auch schon mal gesehen.»
    «Jetzt nehmen wir an, jemand will die Pillen vertauschen, nachdem sie sich schon in der richtigen Flasche befinden.»
    «Dann muss man sie wieder auf das Tablett schütten», erwiderte Lanigan prompt. «Und dann die beiden Tabletts vertauschen.»
    «Richtig», bestätigte der Rabbi. «Und in jedem Fall befände sich die richtige Anzahl der Pillen in jeder Flasche. Aber angenommen, man hätte kein Tablett, ja nicht mal einen Tisch – wie würde man den Austausch dann bewerkstelligen? Man muss sich den Inhalt der einen Flasche in die Hand schütten. Dann schüttet man den Inhalt der zweiten Flasche in die leere Flasche. Dann schüttet man die Pillen, die man in der Hand hält, in die zweite Flasche. Und es wäre ein Wunder, wenn dabei nicht eine davonrollte.»
    «Worauf wollen Sie hinaus, David?»
    «Dass Safferstein die Pillen vertauscht hat, während er unter der Straßenlaterne in seinem Wagen saß und ehe der Streifenwagen kam.»
    «Nur weil eine Pille fehlte?» Lanigan lächelte. «Sie selbst haben mir ein halbes Dutzend Möglichkeiten aufgezählt, wie diese Pille verschwunden sein kann, als ich zum ersten Mal mit Ihnen darüber sprach.»
    «Das stimmt», gab der Rabbi zu, «aber wir dürfen auch nicht vergessen, dass er beide Flaschen in seinem Besitz hatte und außerdem Zeit genug, den Austausch vorzunehmen, ohne befürchten zu müssen, dass er beobachtet wurde.»
    «Aber warum sollte er den Kestlers schaden wollen? Er kannte sie ja nicht einmal.»
    «Er kannte sie nicht?»
    «Nein, und sie kannten ihn nicht.»
    Der Rabbi nickte, während er diese Information verdaute. «Na schön, untersuchen wir alle Möglichkeiten.»
    «Sie wollen mir mit diesem Wie-heißt-das-noch – pulpil – kommen?», fragte Lanigan.
    «Pilpul» , korrigierte ihn der Rabbi. «Warum nicht? Der talmudische pilpul ist nichts weiter als ein logischer Gedankengang, der mit feinsten Unterscheidungen arbeitet.»
    Der Chief grinste. «Dann nur zu, ich habe Zeit. Ihr beiden seid es, die anscheinend groß ausgehen wollen.»
    «Ja, wir müssen zu den Bernsteins», mahnte Miriam. «Sie haben
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