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Am Mittwoch wird der Rabbi nass

Am Mittwoch wird der Rabbi nass

Titel: Am Mittwoch wird der Rabbi nass
Autoren: Harry Kemelman
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sie Dr. Muntz gezeigt hätte», gab Lanigan zu bedenken, «dann wäre doch überhaupt nichts passiert. Der Arzt hätte den Irrtum sofort bemerkt. Es wäre vielleicht sogar noch Zeit gewesen, die Kestlers anzurufen. Und niemand hätte Schaden erlitten.»
    «Niemand? Überlegen wir doch mal.» Abermals begann Rabbi Small hin und her zu gehen, während er in den traditionellen Singsang der talmudischen Beweisführung fiel. «Wir nehmen a-an, er wollte den Kestlers nicht schaden, weil er sie nicht kannte und keinen Grund dazu hatte. U-und dass er seiner Frau nicht schaden wollte, denn schließlich fuhr er nicht nach Hause. A-aber wir wissen, dass er eine böswillige Absicht hegte. A-also müssen wir uns fragen, wer Schaden erlitt, wenn keiner der beiden Patienten die Pillen nahm?» Erwartungsvoll sah er Lanigan an.
    «Das ist doch unlogisch, David. U-und», imitierte er den Rabbi, «wenn wir Ihre Annahme voraussetzen, dass er zu den Kaplans fuhr, um Dr. Muntz die Pillen zu zeigen, ist es noch unlogischer, denn was hat es für einen Sinn, erst die Pillen zu vertauschen, nur damit der Arzt sie dann sozusagen wieder zurückvertauscht?»
    Der Rabbi grinste. «Gar nicht schlecht. Sie kriegen den Dreh allmählich raus. Na schön, überlegen wir, was geschehen wäre. Das ganze Zimmer ist voll Menschen. Safferstein erfindet einen Vorwand, um Dr. Muntz die Pillen zu zeigen. ‹Aber das sind nicht die Pillen, die ich verschrieben habe›, stellt dieser fest. ‹Da muss jemand einen Fehler gemacht haben.› Dann erzählt ihm Safferstein von der zweiten Pillenflasche, und Dr. Muntz meint: ‹Dann muss jemand sie verwechselt haben. Am besten rufe ich gleich die Kestlers an und warne sie.› Der Witz aber ist, dass derartige Gespräche nicht im Flüsterton geführt werden. Und vergessen Sie nicht, dass Dr. Cohen möglicherweise auch dort gewesen wäre. Man hätte ihn ebenfalls gefragt. Innerhalb weniger Minuten hätten alle im Haus gewusst, was geschehen war, dass nämlich dem Town-Line Drugstore beim Anfertigen von Rezepten zwei schwere Fehler unterlaufen waren. Niemand hätte Schaden gelitten? Ja, und was ist mit Marcus Aptaker?»
    Lanigan nickte bedächtig. «Der Apotheker unten in meiner Gegend hat gesagt, ein solcher Fehler könnte einen den Kragen kosten. Aber was hatte Safferstein gegen Aptaker?»
    «Ich weiß nur, dass Safferstein unbedingt den Drugstore kaufen wollte und dass Aptaker nicht verkaufen wollte», antwortete der Rabbi.
    Lanigans Augen wurden groß. «Was soll ein großer Immobilienmakler wie Bill Safferstein mit einem kleinen Drugstore anfangen?»
    «Ben Goralsky sagte mir, der Drugstore hätte einen langfristigen Mietvertrag, zehn Jahre», erklärte der Rabbi. «Er meinte, Safferstein wolle das Haus abreißen und dafür etwas anderes hinsetzen. Das konnte er aber nicht, solange der Mietvertrag lief. Also wollte Safferstein Marcus Aptaker geschäftlich kaputtmachen.»
    «Verdammt!», murmelte Lanigan vor sich hin. «Safferstein hat mir anvertraut, er wolle dort ein großes Einkaufszentrum bauen.» Er nickte. «Ja, das passt.»
    Miriam, die wie ein Zuschauer beim Tennisturnier von einem zum anderen gesehen hatte, sagte jetzt: «Da Sie nun gegen Safferstein mindestens ebenso stichhaltige Beweise haben wie gegen Arnold Aptaker, finde ich, Sie sollten den jungen Mann gehen lassen.»
    Lanigan starrte sie einen Augenblick an, dann stand er auf. Er öffnete die Tür und rief dem Dienst habenden Sergeant zu: «Der junge Mann, den Sie vorhin verhaftet haben – Arnold Aptaker –, lassen Sie ihn laufen.» Dann kehrte er an den Schreibtisch zurück. «Ich werde mir Safferstein natürlich vorknöpfen, aber ich habe nicht den Schatten eines Beweises. Er braucht es bloß abzustreiten, und wie stehe ich da?»
    «Nun», antwortete der Rabbi ein wenig schüchtern, «als Miriams Perlenkette zerriss, kam mir so eine Idee …»
     
    Als sie zu den Bernsteins fuhren, sagte Miriam: «Ich frage mich, wie Safferstein zumute war, als er hörte, dass Aptaker gar keinen Mietvertrag hatte, dass Mr. Goralsky nicht mehr dazu gekommen war, ihn zu unterzeichnen.»
    «Wahrscheinlich nicht besonders gut», antwortete ihr Mann. «Kaplan hat es ihm vermutlich gesagt, nachdem der Vorstand am Sonntag für den Verkauf des Blocks an ihn gestimmt hatte. Aber selbst wenn er es ihm an jenem Mittwochabend gesagt hätte, wäre es schon zu spät gewesen. Der Stein war bereits ins Rollen gebracht.»
    «Glaubst du, er hat es von Anfang an geplant, und das war
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