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Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit
Autoren: Jorge Molist
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Raums, dankte Antonello und María, zog den Mantel an und trat auf die schlammige Straße hinaus. Der Regen hatte aufgehört.

123
    A m nächsten Tag besuchte Joan den Vater Annas und bat ihn um die Erlaubnis, seiner Tochter den Hof machen zu dürfen. Der Mann ließ ihn eintreten und lud ihn zu einem Glas Wein ein. Anna erwiderte seinen Gruß, als handelte es sich um einen Unbekannten, und zog sich in ein benachbartes Zimmer zurück, damit die Männer allein reden konnten. Wie Joan erwartet hatte, gab Mosén Roig seine Zustimmung, erklärte jedoch, er benötige das Einverständnis seiner Tochter, das sicherlich nicht leicht zu erreichen sei. Er werde ihm das Ergebnis mitteilen.
    Joan lag in dieser Nacht schlaflos da und betete. Am nächsten Morgen erschien ein junger Bursche mit einem Brief, in dem es hieß, Anna erbitte sich mehr Zeit. Joan ging erneut zu Mosén Roig und brachte ein Geschenk für dessen Tochter mit. Es war
Das Buch der Liebe
.
    Doch die Tage vergingen, ohne dass Joan etwas Neues erfuhr. Er hielt sich in der Umgebung des Juwelierladens auf, um Anna zu sehen. Er beobachtete sie von weitem, wie sie am Verkaufstisch bediente. Sie war trotz ihrer Schwangerschaft sehr schön, reagierte aber gleichgültig auf seine Anwesenheit. Er hoffte, dass sich ihre Blicke trafen, dass sie ihm ein Zeichen machte und ihm ein Lächeln widmete wie damals in Barcelona. Doch nichts dergleichen geschah.
    Joan versuchte, sich abzulenken, indem er sich mit Antonello unterhielt, Briefe nach Rom und Barcelona schrieb und die
Santa Eulalia
besuchte, die beinahe ständig zusammen mit der übrigen Flotte vor Anker lag, weil es die Jahreszeit der Stürme war. Er grüßte seine früheren Kameraden und plauderte oft und lange mit seinem Freund Genís, der sich herzlich freute, als er von Marías und Eulalias Befreiung erfuhr.
    »Sag es dem Admiral«, riet er ihm. »Auch er wird sich freuen.«
    »Ich will nicht mit Vilamarí reden«, entgegnete Joan. »Tu du es, wenn du meinst.«
    Antonello sprach mit dem Juwelier, doch der Mann hatte bei Anna keinen Erfolg. Sie sagte, dass sie schon einmal als Tochter ihre Pflicht erfüllt und seinen Ehekandidaten angenommen habe, und dass sie dies kein zweites Mal tun werde.
     
     
    Joan dachte, dass vielleicht der Moment gekommen war, um aufzugeben und sein Leben fern von Anna weiterzuführen. Allerdings würde er ohne sie niemals glücklich werden.
    Er schrieb in sein Buch: »Euer Eigensinn wird unsere wunderbare Zukunft vernichten.«
    Doch eines Morgens, als er Anna von weitem betrachtete, hielt sie eine Zeitlang seinem Blick stand. Sie war ernst. Auf einmal nahmen ihre grünen Augen einen besonderen Glanz an, und auf ihren Wangen bildeten sich Grübchen, während ein Lächeln über ihre Lippen huschte. Danach wandte sie den Blick ab.
    Joans Herz klopfte schneller, und auf der Stelle gab er den Plan auf, nach Rom zurückzukehren. Eines Nachmittags, als sie am Verkaufstisch stand, trat er heran, stellte sich vor sie hin und wartete, dass sie ihn anblickte. Als sie es tat, sagte Joan nichts, doch Anna las die Frage in seinen Augen. Einige ewig scheinende Augenblicke vergingen, in denen er das Innere ihrer Pupillen ergründen wollte, um die Antwort zu erfahren.
    »Ja«, sagte Anna schließlich nach dieser endlosen Zeit.
    Joan blieb einige Augenblicke reglos und ungläubig stehen, während er bemerkte, wie auf ihrem Gesicht ein Lächeln erschien. Dann rannte er hinter den Ladentisch, um sie zu umarmen. Ein großer Krug und mehrere Silberbestecke fielen zu Boden. Joan spürte, wie ihre fortgeschrittene Schwangerschaft sie beide trennte, doch er kümmerte sich nicht darum. Er war unermesslich glücklich.
     
     
    Alle freuten sich über Annas Entschluss. Die beiden verbrachten die nächsten Tage mit Spaziergängen und Gesprächen. Sie hatten sich viel zu erzählen.
    »Man erwartet mich in Rom, damit ich die Buchhandlung eröffne, und Ihr erwartet mein Kind«, sagte Joan bei einem ihrer Gespräche. »Wir haben nicht so viel Zeit, wie ich möchte …«
    »Es ist nicht Euer Kind!«, widersprach Anna nachdrücklich. »Es ist von Riccardo, und beharrt nicht weiter darauf.«
    Doch Joan war sich sicher, dass es sein Kind war. Riccardo Lucca hatte mehr als ein Jahr Zeit gehabt, sie zu schwängern, und es nicht getan. Mit seiner vorherigen Ehefrau hatte er auch keine Kinder gehabt. Nein, Joan war sich sicher, dass er der Vater war.
    »Ich wollte sagen, dass es wie mein Kind sein wird«, berichtigte er sich.
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