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Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit
Autoren: Jorge Molist
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»Dass ich für das Kind sorgen und es als meines aufziehen werde. Mit ihm werden wir unsere Schuld sühnen und uns mit Zuneigung und Liebe von unseren Sünden reinwaschen.«
     
     
    Jeden Tag wartete Joan ungeduldig auf die Begegnung mit Anna. Während der langen Spaziergänge, die wegen Annas fortgeschrittener Schwangerschaft bedächtig sein mussten, stellte Joan mit Freuden fest, wie gut sie sich verstanden. Anna hatte eine vorzügliche Bildung erhalten. Sie las nicht nur gern, sondern war auch eine glänzende Gesprächspartnerin. Sie war ein unterhaltsamer Widerpart, und es beunruhigte Joan nur, dass sie stets alle Streitgespräche gewinnen wollte. Nach zehn Tagen schlug Joan ihr nervös und stammelnd vor, dass sie heiraten sollten.
    Anna blieb stehen und sah ihn ernst an. Danach setzte sie den Spaziergang fort, ohne zu antworten. Joan erschrak.
    »Was meint Ihr dazu?«, fragte er nach einer Weile.
    Sie schwieg noch etwas länger.
    »Ich habe Euch sehr geliebt, Joan«, sagte sie schließlich.
    »Und jetzt tut ihr es nicht mehr?«
    »Ich habe Euch auch gehasst. Seit der letzten Nacht, die wir zusammen verbracht hatten, habe ich unsagbar gelitten. Und das war zum großen Teil Eure Schuld.«
    »Auch ich habe gelitten.«
    »Danke für das Buch. Es ist das schönste Geschenk, das ich je bekommen habe.«
    Joan blickte sie lange an. Sie erwiderte seinen Blick. Langsam hob sie ihre rechte Hand und streichelte ihm die Wange. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Ich weiß, dass Ihr es mit eigener Hand angefertigt habt, dass es Eure Buchstaben sind, dass Ihr die Worte beim Schreiben tief empfunden habt und dass Eure Liebe darin steckt. Das merke ich, wenn ich es berühre.«
    Anna machte eine Pause, in der sie sich an ihn drückte. Joan umarmte sie glücklich.
    »Schon wegen des Buches möchte ich Eure Frau werden«, bekannte sie weiter. »Aber außerdem liebe ich Euch. Sehr.«
    »Ich habe Euch immer geliebt«, sagte er. »Selbst in den schlimmsten Augenblicken. Ich werde Euch über den Tod hinaus lieben«, sagte Joan und nahm ihre Hand, um sie zu küssen.
    »Ich werde büßen, wie es Euer Buch der Liebe empfiehlt«, erklärte Anna weiter. »Die Antwort ist ja, Roland. Mein übriges Leben will ich mit Euch und Euren Büchern leben.«
    Tränen rannen über Joans Wangen, während er sie an sich drückte.
    Innerhalb weniger Tage bereitete er alles für seine Romreise vor. Er wollte wieder zurück in Neapel sein, bevor das Kind geboren wurde. Anna wollte es noch als Riccardos Witwe bekommen. Danach würden sie Hochzeit feiern.

124
    A m 25 . Februar fuhr Joan nach Rom zurück. Er hatte fast kein Gepäck dabei und begleitete einen der berittenen Kuriere, die König Ferrandino zum Papst schickte. Die Heere warteten auf den Frühling. Dann würden sie den Krieg wiederaufnehmen. Inzwischen musste man sich nur Sorgen wegen der schlechten Wege und der Räuber machen. Die Boten wussten, wie sie sich davor schützen konnten, und es war teuer, aber hilfreich, ihr System von Poststationen zu benutzen. Als Joan in Rom ankam, stellte er fest, dass sich Giorgio und Niccolò bei der Einrichtung und dem Kauf von Materialien so sehr wie möglich beeilt hatten. Joan schloss sich ihnen begeistert an.
    Ende März 1496 öffnete die Buchhandlung ihre Türen. Doch Joan wollte bis zum 23 . Juni warten, dem Vortag des Festes seines heiligen Schutzpatrons und dem längsten Tag des Jahres, um die Einweihung zu feiern. Vannozza hatte versprochen, die vornehmsten Vertreter Roms dazu einzuladen. Joan wünschte sich vor allem, Anna dabeizuhaben.
    Die Buchhandlung war von dem Augenblick an erfolgreich, als sie ihre Türen öffnete. Miquel Corella und Vannozza setzten ihre Beziehungen ein, bis sie das Geschäft zu einem Treffpunkt der Anhänger des Papstes Alexander  VI . gemacht hatten. Es kamen nicht nur Landsleute aus den Reichen Isabellas und Ferdinands, sondern auch Portugiesen, Neapolitaner und die umfangreiche Kolonie der florentinischen Emigranten, die Bundesgenossen des Papstes gegen Savonarola waren. Sich in der Buchhandlung sehen zu lassen und Bücher zu kaufen, das war eine freundliche Geste gegenüber der Rom beherrschenden Macht. Auch viele Römer suchten sie nun auf.
    Anfang April, als Joan nach Neapel abreiste, um der Geburt seines Kindes beizuwohnen und Anna zu heiraten, konnte er sich in aller Ruhe darauf verlassen, dass sich der Betrieb der Buchhandlung in seiner Abwesenheit fortsetzte. Niccolò war für den Laden verantwortlich, und
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