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Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit
Autoren: Jorge Molist
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er ging sehr geschickt mit den Kunden um. Giorgio leitete die Buchbinderei. Joan stellte drei weitere Florentiner ein, von denen zwei die Druckerei einrichten sollten, und dazu mehrere römische Lehrlinge. Er unterzeichnete einen weiteren Mietvertrag für ein Nachbarhaus. Dort im Erdgeschoss wollte er einen Saal einrichten. Er sollte beträchtlich größer als der Antonellos sein und die Buchhandlung ergänzen. Joan würde ihn mit Bücherregalen und hellen Fenstern versehen, damit die Kunden einen Ort hatten, an dem sie sich unterhalten und zugleich Bücher durchsehen konnten. Die Druckerei würde den restlichen Raum einnehmen, und im ersten Stock würden seine Mutter, seine Schwester und seine Neffen leben. Für sich, Anna und das Kind reservierte er den ersten Stock des anderen Gebäudes. »Wer heiratet, braucht eine eigene Wohnung«, hatte seine Mutter ihm gesagt.
     
     
    Als Joan nach Neapel zurückkam, erfuhr er, dass Anna einen Jungen geboren hatte. Er war beinahe einen Monat vor dem Termin zur Welt gekommen, doch als ihn Anna in seine Arme legte, stellte er fest, dass er ein schöner und pausbäckiger Säugling war, der durchaus nicht wie eine Frühgeburt aussah. Joan hob ihn äußerst behutsam hoch. Ihre Blicke trafen sich, und bei dem Kind entdeckte er den anklagenden Ausdruck, den Riccardos Augen hatten, als er starb. Der Kleine begann, untröstlich zu weinen, und Joan erschauderte und gab ihn der Mutter zurück. Seine Hände zitterten, und er fürchtete, dass ihm das Kind herunterfallen würde.
    »Fühlt Ihr Euch nicht wohl?«, fragte Anna besorgt.
    »Nein, nein. Ich bin nur von der Reise erschöpft«, antwortete er bedrückt.
    Es waren Riccardos Augen! Sein Blick in der Todesminute! Joan zog sich zurück, um einen Spaziergang zu machen. Er glaubte, dass ihm sein Schuldgefühl etwas vorgaukelte, was es gar nicht gab. Als er zurückkam, betrachtete er das Kind wieder aufmerksam. Derselbe Blick bohrte sich wie ein Dolch in sein Herz. Joan erkannte, dass es der Sohn des Mannes war, den er getötet hatte, und dass ihn diese Augen für den Rest seines Lebens an sein niederträchtiges Verbrechen erinnern würden.
    »Das ist er«, schrieb er bestürzt in sein Buch. »Das ist er. Er ist in seinem Sohn zurückgekehrt.«

125
    M itte April fand die Hochzeit in San Lorenzo Maggiore statt, einer hübschen kleinen Franziskanerkirche. Unter deren gotischen Bogen erhielt Joan Annas ersehntes Jawort. An Annas Hand glänzte der neue Ring, den ihr Joan gekauft hatte. Nachdem sie sich geküsst hatten, blickten sie sich lächelnd in die Augen. Joan konnte sein Glück gar nicht fassen. Von jetzt an würden sie die ganze Zeit zusammen sein.
    Die Hochzeit war eine stille Zeremonie. Vonseiten der Braut nahmen Annas Eltern und zwei Freunde teil. Genís Solsona, der Kapitän der
Santa Eulalia
, war der Trauzeuge des Bräutigams. Joan vermutete, dass er die erfolgreiche Befreiung Annas und seine glückliche Entlassung von der Galeere zum großen Teil ihm zu verdanken hatte.
    Er wusste nicht, wann er ihn wiedersehen würde, denn Vilamarís Flotte fuhr zurück nach Spanien. Um die Franzosen zu schwächen und daran zu hindern, Verstärkung nach Italien zu schicken, hatte König Ferdinand eine neue Front eröffnet, indem er Frankreich von Katalonien aus angriff. Die Franzosen unternahmen mit aller Macht einen Gegenstoß. Die spanischen Heere wichen zurück, und die französischen Korsaren verwüsteten die Küste. Vilamarí hatte den Befehl erhalten, ihre Schiffe zu kapern oder zu versenken. Joan sagte sich, dass der König wieder einmal richtig gehandelt hatte. Es gab nichts Besseres als einen Piraten, um mit einem anderen Piraten fertig zu werden.
    Mit ihnen feierten auch Antonello und seine Gattin María. Das Ehepaar lud alle zu einem Hochzeitsmahl in den Speisesaal seines Hauses im ersten Stock der Buchhandlung ein.
    Antonello, witzig wie immer, brachte den Trinkspruch aus: »Auf das Glück Rolands und seiner geliebten Angelica!«
     
     
    Joan bedauerte, dass seine Mutter, seine Schwester, Gabriel, Bartomeu und Abdalá nicht bei seiner Hochzeit dabei waren. Die Entfernungen machten es unmöglich für sie, nach Neapel zu kommen. Doch er erhielt ihre Gratulations- und Glückwunschschreiben. Gabriel kündigte ihm seine Heirat mit Ágata an, der jüngeren Tochter Elois, und teilte begeistert mit, dass er in der Pause zwischen zwei Kanonen eine große Glocke hatte gießen können, obwohl die Legierung, die man für die richtige Resonanz
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