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Am Helllichten Tag

Am Helllichten Tag

Titel: Am Helllichten Tag
Autoren: Simone van Der Vlugt
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Beatmungsgerät. Wie es ihm heute geht, weiß ich nicht. Ich traue mich nicht so recht anzurufen.« Ramakers reibt sich die Augen und strafft den Rücken.
    »Ist nicht nötig – das hab ich bereits gemacht. Seine Frau sagt, er habe die Nacht gut überstanden und atme jetzt selbstständig. Hört sich doch gut an, oder?«
    »Und wie! Ach, bin ich froh!« Julia richtet den Blick ins Freie und fragt sich unwillkürlich, wie die Welt für sie ausgesehen hätte, wenn Sjoerd nicht durchgekommen wäre. Unvorstellbar, der Gedanke, dass …
    »Ist Ihnen nicht gut, Frau Vriens?«
    »Doch, doch.«
    »Sie hatten ganz schön was zu verkraften in den letzten Tagen. Erst den Tod Ihrer Großmutter, dann das Geständnis, dass es kein Unfall war, und jetzt liegt auch noch Ihr Partner in der Klinik. Sie können gern ein paar Tage Urlaub nehmen, das ist überhaupt kein …«
    »Mir geht es gut«, fällt Julia ihm ins Wort. »Aber ein paar freie Tage wären tatsächlich nicht schlecht.«
    Sie weicht seinem forschenden Blick aus.
    »Nehmen Sie sich frei, so lange Sie möchten. Sie haben ausgezeichnete Arbeit geleistet, Frau Vriens. Die kleine Luna ist wieder bei ihren Eltern, und diese Dagmar wird sicherlich auch noch geschnappt. Aber damit sind jetzt andere beschäftigt. Sie können also ruhig mal einen Gang zurückschalten. Nicht zuletzt, damit Sie erholt und fit sind, wenn Herr Volleberg aus dem Krankenhaus entlassen wird und seinen Dienst wieder antritt.«
    »Ach ja … Dazu wollte ich noch etwas sagen.« Julia beißt sich auf die Unterlippe und seufzt dann so laut, dass Ramakers sie besorgt anschaut.
    »Was ist los, Mädchen? Raus mit der Sprache!«, sagt er väterlich.
    Zum ersten Mal, seit sie vor ihrem Chef sitzt, sieht Julia ihn direkt an.
    »Ich möchte mich versetzen lassen.«
    Was auch immer Ramakers erwartet hatte – das jedenfalls nicht. Fassungslos starrt er sie an.
    »Versetzen? Warum das denn?«
    »Weil ich der Meinung bin, dass mir eine Veränderung gut täte.« Ihr Tonfall ist ein wenig abwehrend, verrät, dass sie sich nicht näher dazu äußern möchte.
    »Hmmm … Und da sind Sie sich ganz sicher?« Die Verwunderung auf Ramakers’ Gesicht weicht Unmut. »Ich muss zugeben, es passt mir überhaupt nicht, dass meine beste Mitarbeiterin geht.«
    »Danke für das Kompliment.« Ein Lächeln umspielt ihren Mund. »Aber so leid es mir tut, ich bin mir meiner Sache ganz sicher.«
    »Das kommt ziemlich unerwartet …«
    »Schon, aber ich weiß, dass es gut und richtig ist. Ich hab mich bereits umgehört. In Groningen, Amersfoort und Utrecht sind Stellen ausgeschrieben, auf die ich mich bewerben kann.«
    »Nun ja, das dürfte nicht das Problem sein. Ich wüsste keine Dienststelle, die nicht froh wäre, eine so erfahrene Kripofrau zu bekommen. Es ist nur ein ziemlicher Schock für mich. Ich hatte ja keine Ahnung, dass Sie sich bei uns nicht wohlfühlen.« Ramakers scheint sich langsam mit der Tatsache abzufinden; er lehnt sich zurück und mustert Julia eingehend.
    »Darum geht es nicht«, sagt sie rasch. »Ich fühle mich hier sogar sehr wohl.«
    »Was ist dann der Grund?«
    Sie schweigt und senkt den Blick.
    »Es ist einfach besser so«, sagt sie schließlich.
    Ramakers nickt bedächtig. »Ich nehme an, es ist wegen Herrn Volleberg.«
    Eine leichte Röte überzieht ihr Gesicht. »Wie … Wie meinen Sie das?«
    »Ich habe schließlich Augen im Kopf«, sagt der Hauptkommissar. »Und außerdem wäre ich ein schlechter Polizist, wenn ich das nicht gemerkt hätte.«
    Nun lässt sich nicht mehr leugnen, was ihr offensichtlich auf die Stirn geschrieben steht. »War es denn so offensichtlich?«, fragt sie peinlich berührt.
    »Nicht für alle. Aber für einen Chef, der seine Leute gut kennt, sehr wohl. Und zwischendurch hatte ich auch meine Zweifel. Aber jetzt nicht mehr.«
    »Dann müssten Sie eigentlich verstehen, weshalb ich fort möchte.«
    »Ja. Ich bedaure es sehr, aber verstehen kann ich es durchaus. Daher werde ich gar nicht erst versuchen, Sie umzustimmen. Ich gebe der Personalabteilung Bescheid. Und Sie bekommen von mir ein Empfehlungsschreiben, das Sie sich einrahmen können.«
    »Das ist wahnsinnig nett.«
    »Dann wäre da noch die Sache mit dem Urlaub.« Ramakers schiebt die Unterlagen auf seinem Schreibtisch hin und her. »Wollen Sie ihn jetzt gleich nehmen oder später, wenn es mit der Versetzung so weit ist?«
    »Lieber später«, sagt Julia. »Wenn ich den Umzug und alles andere regeln muss, bin ich sicher froh
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