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Am Helllichten Tag

Am Helllichten Tag

Titel: Am Helllichten Tag
Autoren: Simone van Der Vlugt
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darum. Außerdem hab ich hier ja noch zu tun. Berichte schreiben und so.«
    »Stimmt«, sagt Ramakers. »Dann legen Sie mal los: Die Berichte hätte ich nämlich gern noch vor der Mittagspause.«
    Julia steht auf. Bevor sie den Raum verlässt, dreht sie sich noch einmal um: »Danke.«
    Die Antwort ist eine unwirsche Handbewegung. Doch als sie genau hinschaut, ist da ein Lächeln auf Ramakers’ sonst so ernstem Gesicht.

48
    »Ich verstehe das einfach nicht – was willst du denn in Amersfoort?« Melanie steht in Julias Wohnzimmer, wo sich an den Wänden die Umzugskartons stapeln. Sie nimmt einen Packen alte Zeitungen vom Stuhl, legt ihn auf den Tisch und setzt sich.
    »Das habe ich doch schon ein paarmal gesagt: Ich habe um meine Versetzung gebeten.« Julia wickelt gerade ihre Gläser in Zeitungspapier.
    »Schon klar, aber aus welchem Grund? Und warum nach Amersfoort? Ich dachte immer, dir gefällt es hier.«
    »Tut es auch, aber es ist Zeit für eine neue Herausforderung. Man sollte öfter mal die Arbeitsstelle wechseln, sonst rostet man ein.«
    »Du hast die Stelle noch nicht mal. Findest du es nicht etwas voreilig, gleich umzuziehen?«
    »Die werden mich schon nehmen, und falls nicht, bewerbe ich mich eben weiter. Ich wohne in Amersfoort zur Miete, also ist das kein Problem.«
    »Trotzdem, ich finde das nicht gut«, sagt Melanie nach kurzem Schweigen. »Dass du wegziehen willst, trifft mich sehr.«
    »Mir fällt es auch nicht leicht. Du kennst doch den Spruch: partir c’est mourir un peu. «
    »Warum machst du es dann? Du musst doch nicht, hast es selbst in der Hand!«
    Dass sie so bekümmert dreinblickt, versetzt Julia einen Stich. Dennoch ist Melanie die Letzte, der sie den Grund für ihre Entscheidung anvertrauen kann. Ramakers weiß als Einziger Bescheid. An Sjoerd hat sie einen Brief geschrieben. Ganz ohne Abschied will sie nicht gehen, außerdem hat er ein Recht auf eine Erklärung. Wenn sie ihm gegenüberstünde, sein liebes, vertrautes Gesicht vor sich hätte und sähe, dass es auch ihm wehtut, würden ihr die Worte bestimmt im Hals stecken bleiben. Dann besser schriftlich. Sie werde immer an ihn denken und ihn schmerzlich vermissen, hat sie geschrieben, dennoch sei es besser so, und er möge bitte keinen Kontakt mehr zu ihr aufnehmen.
    Und dass sie die Stelle in Amersfoort noch nicht hat, stimmt. Sie hat sich beworben und war beim Vorstellungsgespräch, aber das Auswahlverfahren läuft noch, und danach folgt eine Sicherheitsüberprüfung, bei der ihr privates Umfeld und ihre finanzielle Situation durchleuchtet werden. Trotzdem ist sie zuversichtlich, dass es klappt, und wenn nicht in Amersfoort, dann eben woanders.
    Julia legt das letzte Glas in den Umzugskarton. »Amersfoort ist nicht aus der Welt«, sagt sie. »In anderthalb Stunden ist man dort. Außerdem können wir telefonieren und mailen.«
    Das hat sie nicht vor, aber das braucht Melanie jetzt noch nicht zu wissen. In Amersfoort will sie neu anfangen, mit neuen Freunden und vor allem neuen Kollegen. Und das ist der größte Freundschaftsbeweis, den sie Melanie geben kann.
    »Sjoerd wird bitter enttäuscht sein. Demnächst kommt er aus der Klinik, und du bist fort. Das kannst du ihm doch nicht antun!«
    »Keine Sorge, ich werde ihm das schon erklären. Schließlich ist er mein Partner. Du denkst doch hoffentlich nicht, ich verschwinde einfach so?«
    »Natürlich nicht. Und ich verstehe auch, dass du jetzt, wo er noch im Krankenhaus ist, nichts sagen willst. Obwohl das durchaus ginge, zumal er auf Station liegt. Er hat übrigens ein paarmal nach dir gefragt.«
    »Am Donnerstag fahre ich bei ihm vorbei. Es liegt zwar nicht ganz auf der Strecke, aber egal. Oder bist du dann dort?«
    »Nicht, wenn ich weiß, dass du bei ihm vorbeischaust. Er freut sich immer so über Besuch – da komme ich dann lieber abends.«
    »Ist gut«, sagt Julia.
    Melanie steht auf und verabschiedet sich mit einem Wangenkuss. »Wir sehen uns aber bald wieder, ja?«, sagt sie auf dem Weg zur Haustür. »Und wenn du auf mein Angebot zurückkommen willst, dir beim Umzug zu helfen, brauchst du bloß …«
    »Danke, das ist wirklich nicht nötig«, unterbricht Julia sie. »Du hast schon genug um die Ohren mit deinen Besuchen bei Sjoerd, und dann sind da noch Joey und deine Arbeit. Ich komme schon zurecht. Außerdem hab ich so viel altes Zeug aussortiert, dass kaum mehr was auszupacken ist. In einer Stunde hab ich das erledigt.«
    Melanie lacht und nimmt Julia in den Arm. »Du
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