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Am Helllichten Tag

Am Helllichten Tag

Titel: Am Helllichten Tag
Autoren: Simone van Der Vlugt
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Funkgerät vom Gürtel und meldet sich bei Ramakers.
    Einer von ihnen solle vor Ort bleiben, der andere zum Haus kommen, lautet die Antwort.
    »Ich nehme an, du bleibst lieber hier.« Julia mustert Ari, der völlig aus der Puste ist. »Ich geh dann mal. Aber sieh zu, dass du wenigstens wieder auf denn Beinen bist, wenn wir kommen. Das macht sich besser.«
    Ohne seine Antwort abzuwarten, geht sie auf den Waldrand zu.

46
    Auf der Intensivstation im Klinikum Tilburg ist es still. In einer halben Stunde ist es acht, und dann geht die Besuchszeit zu Ende.
    Der Raum, in dem Sjoerd liegt, ähnelt einer riesigen Vitrine. Die hintere Glaswand grenzt an einen Krankensaal, die vordere an einen kleinen Empfangsbereich.
    Nachdem die kleine Luna zu ihren überglücklichen Eltern gebracht wurde und sie noch eine Weile ergebnislos nach Dagmar gesucht haben, hat Julia sich in Tilburg ein Hotelzimmer genommen und eine Nachbarin telefonisch gebeten, ihren Kater zu versorgen.
    Im Krankenhaus angekommen, sieht sie Melanie an Sjoerds Bett sitzen, die ihr zulächelt und die Hand hebt.
    »Tut mir leid«, sagt die Schwester. »Mehr als eine Person darf ich nicht zu dem Patienten lassen, und Familienangehörige haben natürlich Vorrang.«
    »Verstehe, dann warte ich.« Julia setzt sich auf eine Bank an der Wand gegenüber. Allzu lange wird es sicherlich nicht dauern.
    Tatsächlich kommt Melanie schon nach ein paar Minuten aus dem verglasten Raum, die rotbraunen Locken wirr und das Gesicht noch blasser als sonst.
    Sie nimmt Julia in die Arme und drückt sie fest.
    »Wie geht es ihm?«, fragt Julia.
    »Nun ja … Er wird beatmet, das hast du wahrscheinlich schon gesehen. Das Ganze muss ziemlich unangenehm sein, deshalb hat er ein starkes Beruhigungsmittel bekommen. So hat er keine Schmerzen, ist aber leider auch nicht ansprechbar.« Melanie wischt sich ein paar Tränen aus den Augen. »Warum ist er bloß ohne Schutzkleidung in das brennende Haus gegangen? Er weiß doch, wie gefährlich so was ist.«
    »Weil ein Kind drin war.«
    »Das hab ich gehört, ja. Aber er hätte doch an sein eigenes Kind denken müssen. Wenn er nicht rechtzeitig rausgekommen wäre, hätte Joey keinen Vater mehr!«
    »Das kleine Mädchen ist in Joeys Alter. Ich glaube, er konnte den Gedanken nicht ertragen, dass sie in den Flammen umkommt, und wollte wenigstens einen Versuch machen, sie zu retten.«
    »Wie? Ist das Kind etwa tot?«
    »Nein, es lebt. Die Entführerin ist durch einen unterirdischen Gang entkommen und hat das Baby im Wald abgelegt.«
    »Ein so kleines Kind? Wie konnte sie nur!«
    »Sie hat es an einer Stelle zurückgelassen, wo wir es mit Si cherheit finden würden. Vermutlich wollte sie es loswerden, weil es sie bei der weiteren Flucht behindert hätte.«
    Melanie nickt ein wenig geistesabwesend und sagt dann: »Entschuldige, aber ich muss jetzt wieder zu Sjoerd.«
    Julia fasst sich ein Herz. »Meinst du, ich kann mal kurz zu ihm?«, fragt sie. »Die Schwester hat gesagt, sie dürfe nur eine Person zu ihm lassen und Familienangehörige hätten Vorrang. Aber wenn du sie bitten würdest …«
    »Geh nur. Ich rede mit ihr.« Melanie wendet sich der Krankenschwester zu, und Julia betritt die Schleuse vor der Inten sivstation, wo sie sich unter Aufsicht eines jungen Pflegers gründlich die Hände wäscht.
    Von Nahem bestürzt Sjoerds Anblick sie fast noch mehr. Vollkommen reglos und totenblass liegt er da, angeschlossen an diverse Apparate, die seine Lebensfunktionen aufrechterhalten. Ein Schlauch führt ihm über einen Tubus Luft zu, eine Nasensonde Nahrung, und Infusionspumpen versorgen ihn mit Flüssigkeit und Medikamenten.
    Julia war schon öfter auf einer Intensivstation, meist um nach Opfern von Gewalttaten zu sehen. Einmal stand sie auch am Bett ihres Vaters, als dieser eine schwere Lungenoperation hinter sich hatte. Sie weiß, dass sedierte Patienten sehr wohl hören, was man sagt, und beginnt deshalb leise zu reden.
    »Ich bin’s, mein Liebster. Es tut mir so leid, dich hier liegen zu sehen. Und gleichzeitig bin ich unendlich stolz auf dich …« Tränen steigen auf, und sie schluckt mehrmals. »Mit der kleinen Luna ist alles in Ordnung«, fährt sie fort, jetzt wieder mit fester Stimme. »Dagmar ist mit ihr vom Keller aus durch einen Tunnel entkommen, der in den Wald führt, und nicht weit davon hat sie das Kind abgelegt. Wir haben Suchhunde eingesetzt und konnten ihrer Spur bis ans andere Ende des Waldstücks folgen. Da muss sie dann einen Bus
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