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Macabros 094: Todesruf der schwarzen Hexe

Macabros 094: Todesruf der schwarzen Hexe

Titel: Macabros 094: Todesruf der schwarzen Hexe
Autoren: Dan Shocker
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Er vernahm plötzlich das Geräusch. Es hörte sich an
wie fernes Klagen, das stärker wurde und ihn nicht mehr
losließ. Fietje Bensen hielt den Atem an, preßte die
Hände gegen die Ohren und blickte mit fiebrig glänzenden
Augen in die Gegend. Er stand da, als ob er den Verstand verloren
hätte, weil der klagende, nervenzerfetzende Ton in jede Faser
seines Körpers drang.
    Fietje Bensen, fünfunddreißig, von kräftiger
Statur und Seemann, stöhnte leise. Die Prophezeiung!
Siedendheiß fiel ihm wieder ein, wie man ihn auf Neuseeland
gewarnt hatte.
    Aber er hatte nur gelacht darüber. Geister? Dämonen?
Spuk? Alles Unfug! Das gab es nicht! Es gab auch keine Kräfte,
die in dämonisierten Gegenständen steckten und
plötzlich wirksam wurden… Sogenannte Tikis, die die
Eingeborenen, die Maoris, benutzten, um Fluch und Unheil über
verfeindete Familien oder ihnen verhaßte Menschen zu
bringen.
    Bensen hatte darüber gespottet und den Tempel der
»Schwarzen Mutter«, wie die Eingeborenen eine
geheimnisvolle Göttin nannten, entweiht, indem er alles darin
tat, was verboten war.
    Mit anderen Seeleuten hielt er ein handfestes Zechgelage ab, sie
trafen sich dort mit Mädchen und feierten zum Abschied eine
Party. Eine einfache Höhle, dumpf und schmutzig, war für
ihn kein Tempel…
    »Der Ruf der ›Schwarzen Mutter‹ wird dich
erreichen«, glaubte er die wispernde Stimme des greisen
Eingeborenen zu hören, der ihn vor den Folgen eindringlich
gewarnt hatte. »Wo immer du auch sein wirst – du kannst
dich ihm nie entziehen… du wirst ihn hören – und er
wird dir deinen Tod ankündigen…«
    Wie sehr hatten sie darüber gelacht! Fietje Bensen atmete
tief durch und versuchte das unheimliche Geräusch zu
ignorieren.
    Das war kein Ruf, der aus einem abstrusen, unsichtbaren Reich oder
aus seinem Innern kam – er lag in der Luft. Da konnte einer
sagen, was er wollte.
    Die anderen reagierten nur nicht. Er bildete sich etwas ein und
mußte nur daran denken, da die warnenden Worte in seinem
Unterbewußtsein verankert waren.
    Einfach nicht dran denken…
    Er nahm die Hände von den Ohren, setzte seinen Weg fort. Er
wollte zum Hafen hinunter. In der ›Windrose‹, einer uralten
Seemannskneipe, war er mit einigen Leuten verabredet. Der Aufenthalt
in Hamburg, der Stadt, in der er groß geworden war, währte
noch eine Nacht. Die wollte er ausnutzen. Dann ging es wieder auf
große Fahrt. Diesmal hatten sie Fracht, die in Australien
gelöscht wurde. Zwei komplette Wohnungseinrichtungen wurden
verschifft.
    Bensons Gericht verzerrte sich. Man sah ihm an, daß er
litt.
    Der ›Schrei‹, dieses seltsame, quälende
Geräusch in seinem Innern, schwächte sich nicht ab.
    Er lief auf einen Passanten zu, er konnte nicht anders.
    »Hören Sie es auch?« fragte er mit belegter, matt
klingender Stimme.
    Der Angesprochene, ein Mann Anfang fünfzig, der die
Straße überqueren wollte, blieb verwirrt stehen. »Wie
bitte?«
    »Ob Sie’s auch hören?«
    »Was soll ich hören?«
    »Das Geräusch…«
    »Ich höre viele Geräusche… die Luft ist voll
davon…«
    »Das meine ich nicht«, stieß Bensen hervor. Er sah
wütend aus.
    Weder sein Gesichtsausdruck noch sein Verhalten waren dazu
angetan, Sympathien zu wecken.
    Der Mann, den er angesprochen hatte, ließ ihn einfach
stehen, ohne ein weiteres Wort zu sagen.
    Bensen steuerte auf einen Pakistani zu, der einen Packen Zeitungen
unter dem Arm trug und an der Straßenverkehrsampel darauf
wartete, daß sie auf ›Rot‹ sprang. Dann bot er den
Fahrern in den haltenden Autos die Zeitungen an.
    Bensen kramte fünf Groschen aus seiner Hosentasche. Seine
Hände zitterten. Er fühlte sich schwach und
nervös.
    Der Pakistani steuerte sofort auf ihn zu, als Bensen die Hand hob
und damit andeutete, daß er eine Zeitung kaufen wollte.
    Sie kostete dreißig Pfennig. Ohne mit der Wimper zu zucken
oder danke zu sagen, steckte der Verkäufer das Geld ein.
    »Hören Sie es auch?« fragte Bensen, ehe der Mann
davongehen konnte.
    »Was?« fragte der Zeitungsverkäufer knapp.
    »Geräusch… komisches Geräusch…« Das
Sprechen bereitete ihm Mühe. Das ›Rufen‹ war kaum noch
zu ertragen. »Es ist furchtbar!« stieß er hervor.
»Ich werde… noch verrückt… warum stellt denn
keiner diesen schrillen… Alarm ab…« Seine Stimme
überschlug sich plötzlich. Er glaubte, die unheimliche,
alles übertönende Stimme, die er hörte, noch an
Lautstärke überbieten zu müssen.
    »Nun, so laut, daß Sie mich
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